Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Kinnbacke und je mehr es Kopf ist; desto vernunft-
ähnlicher wird seine Bildung
, Um sich diese Ansicht
klärer zu machen, ziehe man vom letzten Halswirbel des Thier-
gerippes Linien zur höchsten Scheitelhöhe, zum vordersten
Stirnbein und zum äußersten Punkt der Oberkinnlade: so
wird man in den mancherlei Winkeln nach Geschlechtern und
Arten die mannichfaltige Verschiedenheit sehen; zugleich aber
auch inne werden, daß alles dies ursprünglich vom mehr oder
minder horizontalen Gange herrühre und diesem diene.

Jch begegne mich hier mit dem feinen Verhältniß, das
Camper über die Bildung der Affen und Menschen und un-
ter diesen der verschiednen Nationalbildungen gegeben hat*),
indem er nämlich eine gerade Linie durch die Hölen des Ohrs
bis zum Boden der Nase und eine andere von der höchsten
Hervorragung des Stirnbeins bis auf den am meisten her-
vorragenden Theil der Oberkinnlade im schärfsten Profil zie-
het. Er meint in diesem Winkel nicht nur den Unterschied
der Thiere sondern auch der verschiednen Nationen zu finden
und glaubt, die Natur habe sich dieses Winkels bedient, alle
Verschiedenheiten der Thiere zu bestimmen und sie gleichsam

Stu-
*) S. Campers kleinere Schriften Th. 1. S. 15 u. f. Jch
wünschte, daß die Abhandlung vollständig und auch die zwei
Kupfertafeln dazu bekannt gemacht würden.

Kinnbacke und je mehr es Kopf iſt; deſto vernunft-
aͤhnlicher wird ſeine Bildung
, Um ſich dieſe Anſicht
klaͤrer zu machen, ziehe man vom letzten Halswirbel des Thier-
gerippes Linien zur hoͤchſten Scheitelhoͤhe, zum vorderſten
Stirnbein und zum aͤußerſten Punkt der Oberkinnlade: ſo
wird man in den mancherlei Winkeln nach Geſchlechtern und
Arten die mannichfaltige Verſchiedenheit ſehen; zugleich aber
auch inne werden, daß alles dies urſpruͤnglich vom mehr oder
minder horizontalen Gange herruͤhre und dieſem diene.

Jch begegne mich hier mit dem feinen Verhaͤltniß, das
Camper uͤber die Bildung der Affen und Menſchen und un-
ter dieſen der verſchiednen Nationalbildungen gegeben hat*),
indem er naͤmlich eine gerade Linie durch die Hoͤlen des Ohrs
bis zum Boden der Naſe und eine andere von der hoͤchſten
Hervorragung des Stirnbeins bis auf den am meiſten her-
vorragenden Theil der Oberkinnlade im ſchaͤrfſten Profil zie-
het. Er meint in dieſem Winkel nicht nur den Unterſchied
der Thiere ſondern auch der verſchiednen Nationen zu finden
und glaubt, die Natur habe ſich dieſes Winkels bedient, alle
Verſchiedenheiten der Thiere zu beſtimmen und ſie gleichſam

Stu-
*) S. Campers kleinere Schriften Th. 1. S. 15 u. f. Jch
wuͤnſchte, daß die Abhandlung vollſtaͤndig und auch die zwei
Kupfertafeln dazu bekannt gemacht wuͤrden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0214" n="212[192]"/><hi rendition="#fr">Kinnbacke und je mehr es Kopf i&#x017F;t; de&#x017F;to vernunft-<lb/>
a&#x0364;hnlicher wird &#x017F;eine Bildung</hi>, Um &#x017F;ich die&#x017F;e An&#x017F;icht<lb/>
kla&#x0364;rer zu machen, ziehe man vom letzten Halswirbel des Thier-<lb/>
gerippes Linien zur ho&#x0364;ch&#x017F;ten Scheitelho&#x0364;he, zum vorder&#x017F;ten<lb/>
Stirnbein und zum a&#x0364;ußer&#x017F;ten Punkt der Oberkinnlade: &#x017F;o<lb/>
wird man in den mancherlei Winkeln nach Ge&#x017F;chlechtern und<lb/>
Arten die mannichfaltige Ver&#x017F;chiedenheit &#x017F;ehen; zugleich aber<lb/>
auch inne werden, daß alles dies ur&#x017F;pru&#x0364;nglich vom mehr oder<lb/>
minder <hi rendition="#fr">horizontalen Gange</hi> herru&#x0364;hre und die&#x017F;em diene.</p><lb/>
          <p>Jch begegne mich hier mit dem feinen Verha&#x0364;ltniß, das<lb/><hi rendition="#fr">Camper</hi> u&#x0364;ber die Bildung der Affen und Men&#x017F;chen und un-<lb/>
ter die&#x017F;en der ver&#x017F;chiednen Nationalbildungen gegeben hat<note place="foot" n="*)">S. <hi rendition="#fr">Campers</hi> kleinere Schriften Th. 1. S. 15 u. f. Jch<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chte, daß die Abhandlung voll&#x017F;ta&#x0364;ndig und auch die zwei<lb/>
Kupfertafeln dazu bekannt gemacht wu&#x0364;rden.</note>,<lb/>
indem er na&#x0364;mlich eine gerade Linie durch die Ho&#x0364;len des Ohrs<lb/>
bis zum Boden der Na&#x017F;e und eine andere von der ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Hervorragung des Stirnbeins bis auf den am mei&#x017F;ten her-<lb/>
vorragenden Theil der Oberkinnlade im &#x017F;cha&#x0364;rf&#x017F;ten Profil zie-<lb/>
het. Er meint in die&#x017F;em Winkel nicht nur den Unter&#x017F;chied<lb/>
der Thiere &#x017F;ondern auch der ver&#x017F;chiednen Nationen zu finden<lb/>
und glaubt, die Natur habe &#x017F;ich die&#x017F;es Winkels bedient, alle<lb/>
Ver&#x017F;chiedenheiten der Thiere zu be&#x017F;timmen und &#x017F;ie gleich&#x017F;am<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Stu-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212[192]/0214] Kinnbacke und je mehr es Kopf iſt; deſto vernunft- aͤhnlicher wird ſeine Bildung, Um ſich dieſe Anſicht klaͤrer zu machen, ziehe man vom letzten Halswirbel des Thier- gerippes Linien zur hoͤchſten Scheitelhoͤhe, zum vorderſten Stirnbein und zum aͤußerſten Punkt der Oberkinnlade: ſo wird man in den mancherlei Winkeln nach Geſchlechtern und Arten die mannichfaltige Verſchiedenheit ſehen; zugleich aber auch inne werden, daß alles dies urſpruͤnglich vom mehr oder minder horizontalen Gange herruͤhre und dieſem diene. Jch begegne mich hier mit dem feinen Verhaͤltniß, das Camper uͤber die Bildung der Affen und Menſchen und un- ter dieſen der verſchiednen Nationalbildungen gegeben hat *), indem er naͤmlich eine gerade Linie durch die Hoͤlen des Ohrs bis zum Boden der Naſe und eine andere von der hoͤchſten Hervorragung des Stirnbeins bis auf den am meiſten her- vorragenden Theil der Oberkinnlade im ſchaͤrfſten Profil zie- het. Er meint in dieſem Winkel nicht nur den Unterſchied der Thiere ſondern auch der verſchiednen Nationen zu finden und glaubt, die Natur habe ſich dieſes Winkels bedient, alle Verſchiedenheiten der Thiere zu beſtimmen und ſie gleichſam Stu- *) S. Campers kleinere Schriften Th. 1. S. 15 u. f. Jch wuͤnſchte, daß die Abhandlung vollſtaͤndig und auch die zwei Kupfertafeln dazu bekannt gemacht wuͤrden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/214
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 212[192]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/214>, abgerufen am 25.11.2024.