Stufenweise bis zum Schönsten der schönen Menschen zu er- heben. Die Vögel beschreiben die kleinsten Winkel und die- se Winkel werden größer, je nachdem sich das Thier der menschlichen Gestalt nähert. Die Affenköpfe steigen von 42 bis zu 50 Graden; der letzte ist dem Menschen ähnlich. Der Neger und Kalmucke haben 70, der Europäer 80 Gra- de und die Griechen haben ihr Jdeal von 90 bis zu 100 Graden verschönert. Was über diese Linie fällt, wird ein Ungeheuer; sie ist also das Höchste, wozu die Alten die Schönheit ihrer Köpfe gebracht haben." So frappant diese Bemerkung ist: so sehr freuet es mich, sie, wie ich glaube, auf ihren physischen Grund zurück führen zu können; es ist dieser nämlich das Verhältniß des Geschöpfs zur hori- zontalen und perpedikularen Kopfstellung und Bil- dung, von der am Ende die glückliche Lage des Gehirns, so wie die Schönheit und Proportion aller Gesichtstheile ab- hängt. Wenn man das Campersche Verhältniß also voll- ständig machen und zugleich seinen Grund erweisen will: so darf man nur statt des Ohrs den letzten Halswirbel zum Punkt nehmen und von ihm zum letzten Punkt des Hinter- haupts, zum obersten des Scheitels, zum vordersten der Stirn, zum hervorspringendsten des Kinnbeins Linien ziehen; so wird nicht nur die Varietät der Kopfbildung selbst, sondern auch der Grund derselben sichtbar, daß Alles von der Formung
und
B b
Stufenweiſe bis zum Schoͤnſten der ſchoͤnen Menſchen zu er- heben. Die Voͤgel beſchreiben die kleinſten Winkel und die- ſe Winkel werden groͤßer, je nachdem ſich das Thier der menſchlichen Geſtalt naͤhert. Die Affenkoͤpfe ſteigen von 42 bis zu 50 Graden; der letzte iſt dem Menſchen aͤhnlich. Der Neger und Kalmucke haben 70, der Europaͤer 80 Gra- de und die Griechen haben ihr Jdeal von 90 bis zu 100 Graden verſchoͤnert. Was uͤber dieſe Linie faͤllt, wird ein Ungeheuer; ſie iſt alſo das Hoͤchſte, wozu die Alten die Schoͤnheit ihrer Koͤpfe gebracht haben.„ So frappant dieſe Bemerkung iſt: ſo ſehr freuet es mich, ſie, wie ich glaube, auf ihren phyſiſchen Grund zuruͤck fuͤhren zu koͤnnen; es iſt dieſer naͤmlich das Verhaͤltniß des Geſchoͤpfs zur hori- zontalen und perpedikularen Kopfſtellung und Bil- dung, von der am Ende die gluͤckliche Lage des Gehirns, ſo wie die Schoͤnheit und Proportion aller Geſichtstheile ab- haͤngt. Wenn man das Camperſche Verhaͤltniß alſo voll- ſtaͤndig machen und zugleich ſeinen Grund erweiſen will: ſo darf man nur ſtatt des Ohrs den letzten Halswirbel zum Punkt nehmen und von ihm zum letzten Punkt des Hinter- haupts, zum oberſten des Scheitels, zum vorderſten der Stirn, zum hervorſpringendſten des Kinnbeins Linien ziehen; ſo wird nicht nur die Varietaͤt der Kopfbildung ſelbſt, ſondern auch der Grund derſelben ſichtbar, daß Alles von der Formung
und
B b
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0215"n="213[193]"/>
Stufenweiſe bis zum Schoͤnſten der ſchoͤnen Menſchen zu er-<lb/>
heben. Die Voͤgel beſchreiben die kleinſten Winkel und die-<lb/>ſe Winkel werden groͤßer, je nachdem ſich das Thier der<lb/>
menſchlichen Geſtalt naͤhert. Die Affenkoͤpfe ſteigen von<lb/>
42 bis zu 50 Graden; der letzte iſt dem Menſchen aͤhnlich.<lb/>
Der Neger und Kalmucke haben 70, der Europaͤer 80 Gra-<lb/>
de und die Griechen haben ihr Jdeal von 90 bis zu 100<lb/>
Graden verſchoͤnert. Was uͤber dieſe Linie faͤllt, wird ein<lb/>
Ungeheuer; ſie iſt alſo das Hoͤchſte, wozu die Alten die<lb/>
Schoͤnheit ihrer Koͤpfe gebracht haben.„ So frappant dieſe<lb/>
Bemerkung iſt: ſo ſehr freuet es mich, ſie, wie ich glaube,<lb/>
auf ihren phyſiſchen Grund zuruͤck fuͤhren zu koͤnnen; es iſt<lb/>
dieſer naͤmlich <hirendition="#fr">das Verhaͤltniß des Geſchoͤpfs zur hori-<lb/>
zontalen und perpedikularen Kopfſtellung und Bil-<lb/>
dung</hi>, von der am Ende die gluͤckliche Lage des Gehirns, ſo<lb/>
wie die Schoͤnheit und Proportion aller Geſichtstheile ab-<lb/>
haͤngt. Wenn man das <hirendition="#fr">Camperſche</hi> Verhaͤltniß alſo voll-<lb/>ſtaͤndig machen und zugleich ſeinen Grund erweiſen will: ſo<lb/>
darf man nur ſtatt des Ohrs den letzten Halswirbel zum<lb/>
Punkt nehmen und von ihm zum letzten Punkt des Hinter-<lb/>
haupts, zum oberſten des Scheitels, zum vorderſten der Stirn,<lb/>
zum hervorſpringendſten des Kinnbeins Linien ziehen; ſo wird<lb/>
nicht nur die Varietaͤt der Kopfbildung ſelbſt, ſondern auch<lb/>
der Grund derſelben ſichtbar, daß Alles von der <hirendition="#fr">Formung</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">und</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[213[193]/0215]
Stufenweiſe bis zum Schoͤnſten der ſchoͤnen Menſchen zu er-
heben. Die Voͤgel beſchreiben die kleinſten Winkel und die-
ſe Winkel werden groͤßer, je nachdem ſich das Thier der
menſchlichen Geſtalt naͤhert. Die Affenkoͤpfe ſteigen von
42 bis zu 50 Graden; der letzte iſt dem Menſchen aͤhnlich.
Der Neger und Kalmucke haben 70, der Europaͤer 80 Gra-
de und die Griechen haben ihr Jdeal von 90 bis zu 100
Graden verſchoͤnert. Was uͤber dieſe Linie faͤllt, wird ein
Ungeheuer; ſie iſt alſo das Hoͤchſte, wozu die Alten die
Schoͤnheit ihrer Koͤpfe gebracht haben.„ So frappant dieſe
Bemerkung iſt: ſo ſehr freuet es mich, ſie, wie ich glaube,
auf ihren phyſiſchen Grund zuruͤck fuͤhren zu koͤnnen; es iſt
dieſer naͤmlich das Verhaͤltniß des Geſchoͤpfs zur hori-
zontalen und perpedikularen Kopfſtellung und Bil-
dung, von der am Ende die gluͤckliche Lage des Gehirns, ſo
wie die Schoͤnheit und Proportion aller Geſichtstheile ab-
haͤngt. Wenn man das Camperſche Verhaͤltniß alſo voll-
ſtaͤndig machen und zugleich ſeinen Grund erweiſen will: ſo
darf man nur ſtatt des Ohrs den letzten Halswirbel zum
Punkt nehmen und von ihm zum letzten Punkt des Hinter-
haupts, zum oberſten des Scheitels, zum vorderſten der Stirn,
zum hervorſpringendſten des Kinnbeins Linien ziehen; ſo wird
nicht nur die Varietaͤt der Kopfbildung ſelbſt, ſondern auch
der Grund derſelben ſichtbar, daß Alles von der Formung
und
B b
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 213[193]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/215>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.