den Schultern, der Mund stehet lang und vorwärts; bei diesen wird Gang und Kopf leichter, der Hals gegliederter, der Mund kürzer: natürlicher Weise bekommt auch das Hirn dadurch einen höhern, weitern Raum. Man kann al- so den zweiten Satz annehmen, daß: je mehr sich der Kör- per zu heben und sich das Haupt vom Gerippe hinauf- wärts loszugliedern strebt: desto feiner wird des Ge- schöpfs Bildung. Nur muß dieser Satz, so wie der vo- rige nicht nach einzelnen Gliedern, sondern nach dem ganzen Verhältniß und Bau des Thiers verstanden werden.
3. Je mehr an dem erhöhetern Kopf die Untertheile des Gesichts abnehmen oder zurückgedränget werden: desto edler wird die Richtung desselben, desto verständiger sein An- tlitz. Man vergleiche den Wolf und den Hund, die Katze und den Löwen, das Nashorn und den Elephanten, das Roß und das Flußpferd. Je breiter, gröber und herabziehender gegentheils die Untertheile des Gesichts sind, desto weniger bekommt der Kopf Schädel und der Obertheil des Gesichts Antlitz. Hiernach unterscheiden sich nicht nur die Thierar- ten überhaupt, sondern auch Eine und dieselbe nach Klimaten. Man betrachte den weissen nordischen Bär und den Bär wärmerer Länder, oder die verschiednen Gattungen der Hun- de, Hirsche, Rehe; kurz, je weniger das Thier gleichsam
Kinn-
den Schultern, der Mund ſtehet lang und vorwaͤrts; bei dieſen wird Gang und Kopf leichter, der Hals gegliederter, der Mund kuͤrzer: natuͤrlicher Weiſe bekommt auch das Hirn dadurch einen hoͤhern, weitern Raum. Man kann al- ſo den zweiten Satz annehmen, daß: je mehr ſich der Koͤr- per zu heben und ſich das Haupt vom Gerippe hinauf- waͤrts loszugliedern ſtrebt: deſto feiner wird des Ge- ſchoͤpfs Bildung. Nur muß dieſer Satz, ſo wie der vo- rige nicht nach einzelnen Gliedern, ſondern nach dem ganzen Verhaͤltniß und Bau des Thiers verſtanden werden.
3. Je mehr an dem erhoͤhetern Kopf die Untertheile des Geſichts abnehmen oder zuruͤckgedraͤnget werden: deſto edler wird die Richtung deſſelben, deſto verſtaͤndiger ſein An- tlitz. Man vergleiche den Wolf und den Hund, die Katze und den Loͤwen, das Nashorn und den Elephanten, das Roß und das Flußpferd. Je breiter, groͤber und herabziehender gegentheils die Untertheile des Geſichts ſind, deſto weniger bekommt der Kopf Schaͤdel und der Obertheil des Geſichts Antlitz. Hiernach unterſcheiden ſich nicht nur die Thierar- ten uͤberhaupt, ſondern auch Eine und dieſelbe nach Klimaten. Man betrachte den weiſſen nordiſchen Baͤr und den Baͤr waͤrmerer Laͤnder, oder die verſchiednen Gattungen der Hun- de, Hirſche, Rehe; kurz, je weniger das Thier gleichſam
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[211[191]/0213]
den Schultern, der Mund ſtehet lang und vorwaͤrts; bei
dieſen wird Gang und Kopf leichter, der Hals gegliederter,
der Mund kuͤrzer: natuͤrlicher Weiſe bekommt auch das
Hirn dadurch einen hoͤhern, weitern Raum. Man kann al-
ſo den zweiten Satz annehmen, daß: je mehr ſich der Koͤr-
per zu heben und ſich das Haupt vom Gerippe hinauf-
waͤrts loszugliedern ſtrebt: deſto feiner wird des Ge-
ſchoͤpfs Bildung. Nur muß dieſer Satz, ſo wie der vo-
rige nicht nach einzelnen Gliedern, ſondern nach dem ganzen
Verhaͤltniß und Bau des Thiers verſtanden werden.
3. Je mehr an dem erhoͤhetern Kopf die Untertheile
des Geſichts abnehmen oder zuruͤckgedraͤnget werden: deſto
edler wird die Richtung deſſelben, deſto verſtaͤndiger ſein An-
tlitz. Man vergleiche den Wolf und den Hund, die Katze
und den Loͤwen, das Nashorn und den Elephanten, das Roß
und das Flußpferd. Je breiter, groͤber und herabziehender
gegentheils die Untertheile des Geſichts ſind, deſto weniger
bekommt der Kopf Schaͤdel und der Obertheil des Geſichts
Antlitz. Hiernach unterſcheiden ſich nicht nur die Thierar-
ten uͤberhaupt, ſondern auch Eine und dieſelbe nach Klimaten.
Man betrachte den weiſſen nordiſchen Baͤr und den Baͤr
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 211[191]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/213>, abgerufen am 25.11.2024.
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