Jnsekten, in den Fischen ist Haupt und Körper noch eins und in den Amphibien behält es größtentheils noch seine Horizon- tallage mit dem ganzen kriechenden Körper. Je mehr es sich losmacht und hebet: desto mehr erwacht das Geschöpf aus seiner thierischen Dumpfheit; um so mehr tritt auch das Ge- biß zurück und scheinet nicht mehr die ganze vorgestreckte Kraft des horizontalen Körpers. Man vergleiche den Hay- fisch, der gleichsam ganz Rache und Gebiß ist oder den ver- schlingenden schleichenden Krokodill mit feinern Organisatio- nen und man wird durch zahlreiche Beispiele auf den Satz geführet werden, daß: je mehr das Haupt und der Kör- per eines Thiers eine ungetrennte horizontale Linie sind: desto weniger ist bei ihm zum erhöhetern Gehirn Raum, desto mehr ist sein hervorspringender, ungelen- kiger Rachen das Ziel seiner Wirkung.
2. Je vollkommener das Thier wird, desto mehr kommts gleichsam von der Erde herauf: es bekommt höhere Füße, die Wirbel seines Halses gliedern sich nach der Orga- nisation seines Baues: und nach dem Ganzen bekommt der Kopf Stellung und Richtung. Auch hier vergleiche man die Panzer- und Beutelthiere, den Ygel, die Ratte, den Viel- fraß und andre niedrige Geschlechter mit den edleren Thie- ren. Bei jenen sind die Füße kurz, der Kopf steckt zwischen
den
Jnſekten, in den Fiſchen iſt Haupt und Koͤrper noch eins und in den Amphibien behaͤlt es groͤßtentheils noch ſeine Horizon- tallage mit dem ganzen kriechenden Koͤrper. Je mehr es ſich losmacht und hebet: deſto mehr erwacht das Geſchoͤpf aus ſeiner thieriſchen Dumpfheit; um ſo mehr tritt auch das Ge- biß zuruͤck und ſcheinet nicht mehr die ganze vorgeſtreckte Kraft des horizontalen Koͤrpers. Man vergleiche den Hay- fiſch, der gleichſam ganz Rache und Gebiß iſt oder den ver- ſchlingenden ſchleichenden Krokodill mit feinern Organiſatio- nen und man wird durch zahlreiche Beiſpiele auf den Satz gefuͤhret werden, daß: je mehr das Haupt und der Koͤr- per eines Thiers eine ungetrennte horizontale Linie ſind: deſto weniger iſt bei ihm zum erhoͤhetern Gehirn Raum, deſto mehr iſt ſein hervorſpringender, ungelen- kiger Rachen das Ziel ſeiner Wirkung.
2. Je vollkommener das Thier wird, deſto mehr kommts gleichſam von der Erde herauf: es bekommt hoͤhere Fuͤße, die Wirbel ſeines Halſes gliedern ſich nach der Orga- niſation ſeines Baues: und nach dem Ganzen bekommt der Kopf Stellung und Richtung. Auch hier vergleiche man die Panzer- und Beutelthiere, den Ygel, die Ratte, den Viel- fraß und andre niedrige Geſchlechter mit den edleren Thie- ren. Bei jenen ſind die Fuͤße kurz, der Kopf ſteckt zwiſchen
den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0212"n="210[190]"/>
Jnſekten, in den Fiſchen iſt Haupt und Koͤrper noch eins und<lb/>
in den Amphibien behaͤlt es groͤßtentheils noch ſeine Horizon-<lb/>
tallage mit dem ganzen kriechenden Koͤrper. Je mehr es ſich<lb/>
losmacht und hebet: deſto mehr erwacht das Geſchoͤpf aus<lb/>ſeiner thieriſchen Dumpfheit; um ſo mehr tritt auch das Ge-<lb/>
biß zuruͤck und ſcheinet nicht mehr die ganze vorgeſtreckte<lb/>
Kraft des horizontalen Koͤrpers. Man vergleiche den Hay-<lb/>
fiſch, der gleichſam ganz Rache und Gebiß iſt oder den ver-<lb/>ſchlingenden ſchleichenden Krokodill mit feinern Organiſatio-<lb/>
nen und man wird durch zahlreiche Beiſpiele auf den Satz<lb/>
gefuͤhret werden, daß: <hirendition="#fr">je mehr das Haupt und der Koͤr-<lb/>
per eines Thiers eine ungetrennte horizontale Linie<lb/>ſind: deſto weniger iſt bei ihm zum erhoͤhetern Gehirn<lb/>
Raum, deſto mehr iſt ſein hervorſpringender, ungelen-<lb/>
kiger Rachen das Ziel ſeiner Wirkung.</hi></p><lb/><p>2. Je vollkommener das Thier wird, deſto mehr<lb/>
kommts gleichſam von der Erde herauf: es bekommt hoͤhere<lb/>
Fuͤße, die Wirbel ſeines Halſes gliedern ſich nach der Orga-<lb/>
niſation ſeines Baues: und nach dem Ganzen bekommt der<lb/>
Kopf <hirendition="#fr">Stellung und Richtung</hi>. Auch hier vergleiche man<lb/>
die Panzer- und Beutelthiere, den Ygel, die Ratte, den Viel-<lb/>
fraß und andre niedrige Geſchlechter mit den edleren Thie-<lb/>
ren. Bei jenen ſind die Fuͤße kurz, der Kopf ſteckt zwiſchen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[210[190]/0212]
Jnſekten, in den Fiſchen iſt Haupt und Koͤrper noch eins und
in den Amphibien behaͤlt es groͤßtentheils noch ſeine Horizon-
tallage mit dem ganzen kriechenden Koͤrper. Je mehr es ſich
losmacht und hebet: deſto mehr erwacht das Geſchoͤpf aus
ſeiner thieriſchen Dumpfheit; um ſo mehr tritt auch das Ge-
biß zuruͤck und ſcheinet nicht mehr die ganze vorgeſtreckte
Kraft des horizontalen Koͤrpers. Man vergleiche den Hay-
fiſch, der gleichſam ganz Rache und Gebiß iſt oder den ver-
ſchlingenden ſchleichenden Krokodill mit feinern Organiſatio-
nen und man wird durch zahlreiche Beiſpiele auf den Satz
gefuͤhret werden, daß: je mehr das Haupt und der Koͤr-
per eines Thiers eine ungetrennte horizontale Linie
ſind: deſto weniger iſt bei ihm zum erhoͤhetern Gehirn
Raum, deſto mehr iſt ſein hervorſpringender, ungelen-
kiger Rachen das Ziel ſeiner Wirkung.
2. Je vollkommener das Thier wird, deſto mehr
kommts gleichſam von der Erde herauf: es bekommt hoͤhere
Fuͤße, die Wirbel ſeines Halſes gliedern ſich nach der Orga-
niſation ſeines Baues: und nach dem Ganzen bekommt der
Kopf Stellung und Richtung. Auch hier vergleiche man
die Panzer- und Beutelthiere, den Ygel, die Ratte, den Viel-
fraß und andre niedrige Geſchlechter mit den edleren Thie-
ren. Bei jenen ſind die Fuͤße kurz, der Kopf ſteckt zwiſchen
den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 210[190]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/212>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.