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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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stimmtes Clima und es ist gerade das, wo ihre Nahrung
und Erziehung ihnen am leichtesten wird. Hätte die Na-
tur sie in dieser Erträglichkeit vieler Erdstriche unbestimmter
gebildet: in welche Noth und Verwilderung wäre manche
Gattung gerathen, bis sie ihren Untergang gefunden hätte!
Wir sehen dies noch an den bildsamen Geschlechtern, die
dem Menschen in alle Länder gefolgt sind: sie haben sich mit
jeder Gegend anders gebildet und der wilde Hund ist das
fürchterlichste Raubthier worden, eben weil er verwildert ist.
Noch mehr hätte der Trieb der Fortpflanzung das Ge-
schöpf verwirren müssen, wenn er unbestimmt gelassen wäre;
nun aber legte die bildende Mutter auch diesen in Fesseln.
Er wacht nur zu bestimmter Zeit auf, wenn die organische
Wärme des Thiers am höchsten steiget und da diese durch
physische Revolutionen des Wachsthums, der Jahrszeit, der
reichsten Nahrung bewirkt wird und die gütige Versorgerin
die Zeit des Tragens auch hiernach bestimmte, so ward für
Alt und Jung gesorget. Das Junge kommt auf die Welt,
wenn es für sich fortkommen kann, oder es darf in einem Ei
die böse Jahrszeit überdauern, bis eine freundlichere Sonne
es aufweckt; das Alte fühlet nur denn den Trieb, wenn die-
ser es in nichts anderm störet. Auch das Verhältniß der
beiden Geschlechter in der Stärke und Dauer dieses Triebes
ist darnach eingerichtet.


Ueber
T 3

ſtimmtes Clima und es iſt gerade das, wo ihre Nahrung
und Erziehung ihnen am leichteſten wird. Haͤtte die Na-
tur ſie in dieſer Ertraͤglichkeit vieler Erdſtriche unbeſtimmter
gebildet: in welche Noth und Verwilderung waͤre manche
Gattung gerathen, bis ſie ihren Untergang gefunden haͤtte!
Wir ſehen dies noch an den bildſamen Geſchlechtern, die
dem Menſchen in alle Laͤnder gefolgt ſind: ſie haben ſich mit
jeder Gegend anders gebildet und der wilde Hund iſt das
fuͤrchterlichſte Raubthier worden, eben weil er verwildert iſt.
Noch mehr haͤtte der Trieb der Fortpflanzung das Ge-
ſchoͤpf verwirren muͤſſen, wenn er unbeſtimmt gelaſſen waͤre;
nun aber legte die bildende Mutter auch dieſen in Feſſeln.
Er wacht nur zu beſtimmter Zeit auf, wenn die organiſche
Waͤrme des Thiers am hoͤchſten ſteiget und da dieſe durch
phyſiſche Revolutionen des Wachsthums, der Jahrszeit, der
reichſten Nahrung bewirkt wird und die guͤtige Verſorgerin
die Zeit des Tragens auch hiernach beſtimmte, ſo ward fuͤr
Alt und Jung geſorget. Das Junge kommt auf die Welt,
wenn es fuͤr ſich fortkommen kann, oder es darf in einem Ei
die boͤſe Jahrszeit uͤberdauern, bis eine freundlichere Sonne
es aufweckt; das Alte fuͤhlet nur denn den Trieb, wenn die-
ſer es in nichts anderm ſtoͤret. Auch das Verhaͤltniß der
beiden Geſchlechter in der Staͤrke und Dauer dieſes Triebes
iſt darnach eingerichtet.


Ueber
T 3
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[169[149]/0171] ſtimmtes Clima und es iſt gerade das, wo ihre Nahrung und Erziehung ihnen am leichteſten wird. Haͤtte die Na- tur ſie in dieſer Ertraͤglichkeit vieler Erdſtriche unbeſtimmter gebildet: in welche Noth und Verwilderung waͤre manche Gattung gerathen, bis ſie ihren Untergang gefunden haͤtte! Wir ſehen dies noch an den bildſamen Geſchlechtern, die dem Menſchen in alle Laͤnder gefolgt ſind: ſie haben ſich mit jeder Gegend anders gebildet und der wilde Hund iſt das fuͤrchterlichſte Raubthier worden, eben weil er verwildert iſt. Noch mehr haͤtte der Trieb der Fortpflanzung das Ge- ſchoͤpf verwirren muͤſſen, wenn er unbeſtimmt gelaſſen waͤre; nun aber legte die bildende Mutter auch dieſen in Feſſeln. Er wacht nur zu beſtimmter Zeit auf, wenn die organiſche Waͤrme des Thiers am hoͤchſten ſteiget und da dieſe durch phyſiſche Revolutionen des Wachsthums, der Jahrszeit, der reichſten Nahrung bewirkt wird und die guͤtige Verſorgerin die Zeit des Tragens auch hiernach beſtimmte, ſo ward fuͤr Alt und Jung geſorget. Das Junge kommt auf die Welt, wenn es fuͤr ſich fortkommen kann, oder es darf in einem Ei die boͤſe Jahrszeit uͤberdauern, bis eine freundlichere Sonne es aufweckt; das Alte fuͤhlet nur denn den Trieb, wenn die- ſer es in nichts anderm ſtoͤret. Auch das Verhaͤltniß der beiden Geſchlechter in der Staͤrke und Dauer dieſes Triebes iſt darnach eingerichtet. Ueber T 3

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 169[149]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/171>, abgerufen am 22.11.2024.