Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.Nationalweißheit und Decence im Leben und Und welches war der Zweck? Aristoteles Hiemit würde noch nichts über Werth und wahr-
Nationalweißheit und Decence im Leben und Und welches war der Zweck? Ariſtoteles Hiemit wuͤrde noch nichts uͤber Werth und wahr-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0090" n="86"/> Nationalweißheit und Decence im Leben und<lb/> Sterben werden, (alle Nebenzwecke uͤbergan-<lb/> gen) ſchoͤn! bildend! lehrreich! vortreflich!<lb/> durchaus aber weder Hand noch Fuß vom<lb/> Zweck des griechiſchen Theaters.</p><lb/> <p>Und welches war der Zweck? Ariſtoteles<lb/> hats geſagt, und man hat gnug daruͤber ge-<lb/> ſtritten — nichts mehr und minder, als eine<lb/><hi rendition="#fr">gewiſſe</hi> Erſchuͤtterung des Herzens, die<lb/><hi rendition="#fr">Erregung</hi> der Seele in <hi rendition="#fr">gewiſſem Maaß</hi><lb/> und von <hi rendition="#fr">gewiſſen Seiten,</hi> kurz! eine <hi rendition="#fr">Gat-<lb/> tung Jlluſion,</hi> die wahrhaftig! noch kein<lb/> franzoͤſiſches Stuͤck zuwege gebracht hat, oder<lb/> zuwege bringen wird. Und folglich (es heiſſe<lb/> ſo herrlich und nuͤtzlich, wie es wolle) grie-<lb/> chiſches Drama iſts nicht! Trauerſpiel des<lb/><hi rendition="#fr">Sophokles</hi> iſts nicht. Als Puppe ihm noch<lb/> ſo gleich; der Puppe fehlt Geiſt, Leben, Na-<lb/> tur, Wahrheit — mithin alle Elemente der<lb/> Ruͤhrung — mithin Zweck und Erreichung<lb/> des Zwecks — iſts alſo daſſelbe Ding<lb/> mehr?</p><lb/> <p>Hiemit wuͤrde noch nichts uͤber Werth und<lb/> Unwerth entſchieden, es waͤre nur blos von<lb/> Verſchiedenheit die Rede, die ich mit dem<lb/> Vorigen ganz auſſer Zweifel geſetzt glaube.<lb/> Und nun gebe ichs jedem anheim, es ſelbſt<lb/> auszumachen, „ob eine Kopirung fremder<lb/> Zeiten, Sitten und Handlungen in Halb-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wahr-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0090]
Nationalweißheit und Decence im Leben und
Sterben werden, (alle Nebenzwecke uͤbergan-
gen) ſchoͤn! bildend! lehrreich! vortreflich!
durchaus aber weder Hand noch Fuß vom
Zweck des griechiſchen Theaters.
Und welches war der Zweck? Ariſtoteles
hats geſagt, und man hat gnug daruͤber ge-
ſtritten — nichts mehr und minder, als eine
gewiſſe Erſchuͤtterung des Herzens, die
Erregung der Seele in gewiſſem Maaß
und von gewiſſen Seiten, kurz! eine Gat-
tung Jlluſion, die wahrhaftig! noch kein
franzoͤſiſches Stuͤck zuwege gebracht hat, oder
zuwege bringen wird. Und folglich (es heiſſe
ſo herrlich und nuͤtzlich, wie es wolle) grie-
chiſches Drama iſts nicht! Trauerſpiel des
Sophokles iſts nicht. Als Puppe ihm noch
ſo gleich; der Puppe fehlt Geiſt, Leben, Na-
tur, Wahrheit — mithin alle Elemente der
Ruͤhrung — mithin Zweck und Erreichung
des Zwecks — iſts alſo daſſelbe Ding
mehr?
Hiemit wuͤrde noch nichts uͤber Werth und
Unwerth entſchieden, es waͤre nur blos von
Verſchiedenheit die Rede, die ich mit dem
Vorigen ganz auſſer Zweifel geſetzt glaube.
Und nun gebe ichs jedem anheim, es ſelbſt
auszumachen, „ob eine Kopirung fremder
Zeiten, Sitten und Handlungen in Halb-
wahr-
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