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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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also, der kein Kunstrichter ist, erlauben Sie
also in dergleichen Fällen mir wenigstens, mich
freyherrlicher maassen des Zeichens (') bedie-
nen zu können, nach bestem Belieben u. s. w.



...Und so führen Sie mich wieder auf
meine abgebrochne Materie: "wo-
"her anscheinend einfältige Völker sich an der-
"gleichen kühne Sprünge und Wendungen
"haben gewöhnen können?" Gewöhnen wäre
immer das Leichteste zu erklären: denn wozu
kann man sich nicht gewöhnen, wenn man nichts
anders hat und kennet? Da wird uns im kur-
zen die Hütte zum Pallast, und der Fels zum
ebnen Wege -- aber darauf kommen? Es als
eigne Natur so lieben können? Das ist die
Frage, und die Antwont drauf sehr kurz: weil
das in der That die Art der Einbildung ist,
und sie auf keinem engern Wege je fortgehen
kann.

Alle Gesänge solcher wilden Völker weben
um daseyende Gegenstände, Handlungen, Be-
gebenheiten, um eine lebendige Welt! Wie
reich und vielfach sind da nun Umstände, gegen-
wärtige Züge, Theilvorfälle! Und alle hat das
Auge gesehen! Die Seele stellet sie sich vor!
Das setzt Sprünge und Würfe! Es ist kein

anderer

alſo, der kein Kunſtrichter iſt, erlauben Sie
alſo in dergleichen Faͤllen mir wenigſtens, mich
freyherrlicher maaſſen des Zeichens (’) bedie-
nen zu koͤnnen, nach beſtem Belieben u. ſ. w.



Und ſo fuͤhren Sie mich wieder auf
meine abgebrochne Materie: „wo-
„her anſcheinend einfaͤltige Voͤlker ſich an der-
„gleichen kuͤhne Spruͤnge und Wendungen
„haben gewoͤhnen koͤnnen?„ Gewoͤhnen waͤre
immer das Leichteſte zu erklaͤren: denn wozu
kann man ſich nicht gewoͤhnen, wenn man nichts
anders hat und kennet? Da wird uns im kur-
zen die Huͤtte zum Pallaſt, und der Fels zum
ebnen Wege — aber darauf kommen? Es als
eigne Natur ſo lieben koͤnnen? Das iſt die
Frage, und die Antwont drauf ſehr kurz: weil
das in der That die Art der Einbildung iſt,
und ſie auf keinem engern Wege je fortgehen
kann.

Alle Geſaͤnge ſolcher wilden Voͤlker weben
um daſeyende Gegenſtaͤnde, Handlungen, Be-
gebenheiten, um eine lebendige Welt! Wie
reich und vielfach ſind da nun Umſtaͤnde, gegen-
waͤrtige Zuͤge, Theilvorfaͤlle! Und alle hat das
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Das ſetzt Spruͤnge und Wuͤrfe! Es iſt kein

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[59/0063] alſo, der kein Kunſtrichter iſt, erlauben Sie alſo in dergleichen Faͤllen mir wenigſtens, mich freyherrlicher maaſſen des Zeichens (’) bedie- nen zu koͤnnen, nach beſtem Belieben u. ſ. w. …Und ſo fuͤhren Sie mich wieder auf meine abgebrochne Materie: „wo- „her anſcheinend einfaͤltige Voͤlker ſich an der- „gleichen kuͤhne Spruͤnge und Wendungen „haben gewoͤhnen koͤnnen?„ Gewoͤhnen waͤre immer das Leichteſte zu erklaͤren: denn wozu kann man ſich nicht gewoͤhnen, wenn man nichts anders hat und kennet? Da wird uns im kur- zen die Huͤtte zum Pallaſt, und der Fels zum ebnen Wege — aber darauf kommen? Es als eigne Natur ſo lieben koͤnnen? Das iſt die Frage, und die Antwont drauf ſehr kurz: weil das in der That die Art der Einbildung iſt, und ſie auf keinem engern Wege je fortgehen kann. Alle Geſaͤnge ſolcher wilden Voͤlker weben um daſeyende Gegenſtaͤnde, Handlungen, Be- gebenheiten, um eine lebendige Welt! Wie reich und vielfach ſind da nun Umſtaͤnde, gegen- waͤrtige Zuͤge, Theilvorfaͤlle! Und alle hat das Auge geſehen! Die Seele ſtellet ſie ſich vor! Das ſetzt Spruͤnge und Wuͤrfe! Es iſt kein anderer

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/63>, abgerufen am 27.11.2024.