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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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wir unter unserm Volk gewiß hundert ähnliche,
und wo nicht Lieder, doch Sager haben. Es ist
nichts in der Welt mehr, als Sweet Williams
Ghost:
und doch, wie wenig kann ich ihm in
der Uebersetzung, seinen Aerago, sein Feier-
liches Populäres lassen.

Zu Hannchens Thür, da kam ein Geist,
Mit manchem Weh und Ach!
Und drückt' am Schloß und kehrt' am Schloß
Und ächzte traurig nach.
"Jsts, Vater Philipp! der ist da?
Bists, Bruder! du, Johann?
"Oder ists Wilhelm, mein Bräutigam!
Aus Schottland kommen an!
Dein Vater Philipp, der ists nicht!
Dein Bruder nicht, Johann!
Es ist Wilhelm, dein Bräutigam,
Aus Schottland kommen an!
Hör, süsses Hannchen, höre mich,
Hör' und willfahre mir!
Gib mir zurück mein Wort und Treu,
Das ich gegeben Dir!
"Dein Wort und Treu geb' ich dir nicht
Geb's nimmer wieder Dir!
"Bis du zu meiner Kammer kommst,
Mit Liebeskuß zu mir!
Zu deiner Kammer soll ich ein,
Und bin kein Mensch nicht mehr?
Und küssen deinen Rosenmund?
So küß ich Tod dir her!
Nein süsses Hannchen, höre mich,
Hör' und willfahre mir.
Gib mir zurück mein Wort und Treu
Das ich gegeben Dir!
"Dein
D

wir unter unſerm Volk gewiß hundert aͤhnliche,
und wo nicht Lieder, doch Sager haben. Es iſt
nichts in der Welt mehr, als Sweet Williams
Ghoſt:
und doch, wie wenig kann ich ihm in
der Ueberſetzung, ſeinen Aerago, ſein Feier-
liches Populaͤres laſſen.

Zu Hannchens Thuͤr, da kam ein Geiſt,
Mit manchem Weh und Ach!
Und druͤckt’ am Schloß und kehrt’ am Schloß
Und aͤchzte traurig nach.
„Jſts, Vater Philipp! der iſt da?
Biſts, Bruder! du, Johann?
„Oder iſts Wilhelm, mein Braͤutigam!
Aus Schottland kommen an!
Dein Vater Philipp, der iſts nicht!
Dein Bruder nicht, Johann!
Es iſt Wilhelm, dein Braͤutigam,
Aus Schottland kommen an!
Hoͤr, ſuͤſſes Hannchen, hoͤre mich,
Hoͤr’ und willfahre mir!
Gib mir zuruͤck mein Wort und Treu,
Das ich gegeben Dir!
„Dein Wort und Treu geb’ ich dir nicht
Geb’s nimmer wieder Dir!
„Bis du zu meiner Kammer kommſt,
Mit Liebeskuß zu mir!
Zu deiner Kammer ſoll ich ein,
Und bin kein Menſch nicht mehr?
Und kuͤſſen deinen Roſenmund?
So kuͤß ich Tod dir her!
Nein ſuͤſſes Hannchen, hoͤre mich,
Hoͤr’ und willfahre mir.
Gib mir zuruͤck mein Wort und Treu
Das ich gegeben Dir!
„Dein
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[49/0053] wir unter unſerm Volk gewiß hundert aͤhnliche, und wo nicht Lieder, doch Sager haben. Es iſt nichts in der Welt mehr, als Sweet Williams Ghoſt: und doch, wie wenig kann ich ihm in der Ueberſetzung, ſeinen Aerago, ſein Feier- liches Populaͤres laſſen. Zu Hannchens Thuͤr, da kam ein Geiſt, Mit manchem Weh und Ach! Und druͤckt’ am Schloß und kehrt’ am Schloß Und aͤchzte traurig nach. „Jſts, Vater Philipp! der iſt da? Biſts, Bruder! du, Johann? „Oder iſts Wilhelm, mein Braͤutigam! Aus Schottland kommen an! Dein Vater Philipp, der iſts nicht! Dein Bruder nicht, Johann! Es iſt Wilhelm, dein Braͤutigam, Aus Schottland kommen an! Hoͤr, ſuͤſſes Hannchen, hoͤre mich, Hoͤr’ und willfahre mir! Gib mir zuruͤck mein Wort und Treu, Das ich gegeben Dir! „Dein Wort und Treu geb’ ich dir nicht Geb’s nimmer wieder Dir! „Bis du zu meiner Kammer kommſt, Mit Liebeskuß zu mir! Zu deiner Kammer ſoll ich ein, Und bin kein Menſch nicht mehr? Und kuͤſſen deinen Roſenmund? So kuͤß ich Tod dir her! Nein ſuͤſſes Hannchen, hoͤre mich, Hoͤr’ und willfahre mir. Gib mir zuruͤck mein Wort und Treu Das ich gegeben Dir! „Dein D

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/53>, abgerufen am 08.05.2024.