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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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verschaffen wollen, ist das prächtigste Schau-
spiel, was dem Menschen zur Bewunderung
und zur Lehre gegeben werden kann; die Be-
rechnung der auf beyden Seiten würkenden
Kräfte und ihre Resultate sind für den Philoso-
phen die erheblichsten Wahrheiten: und so viele
grosse Bewegungsgründe müssen uns aufmun-
tern, unsrer Nation diese Ehre zu erwerben.
Sie müssen einen jeden reitzen, seine Provinz
zu erleuchten, um sie dem grossen Geschicht-
schreiber in dem wahren Lichte zu zeigen. Das
Costume der Zeiten, der Stil jeder Verfas-
sung, jedes Gesetzes und ich möchte sagen jedes
antiken Worts, muß den Kunstliebenden ver-
gnügen. Die Geschichte der Religion, der
Rechtsgelehrsamkeit, der Philosophie, der
Künste und schönen Wissenschaften ist auf
sichere Weise von der Staatsgeschichte unzer-
trennlich und würde sich mit obigen Plan vor-
züglich gut verbinden lassen. Von Meisterhän-
den versteht sich. Der Stil aller Künste, ja
selbst der Depeschen und Liebesbriefe eines Her-
zogs von Richelieu, steht gegen einander in eini-
gem Verhältniß. Jeder Krieg hat seinen eige-
nen Ton und die Staatshandlungen haben ihr
Colorit, ihr Costume und ihre Manier in Ver-
bindung mit der Religion und den Wissenschaf-
ten. Rußland giebt uns davon täglich Bey-
spiele; und das französische eilfertige Genie
zeigt sich in Staatshandlungen wie im Roman.

Man

verſchaffen wollen, iſt das praͤchtigſte Schau-
ſpiel, was dem Menſchen zur Bewunderung
und zur Lehre gegeben werden kann; die Be-
rechnung der auf beyden Seiten wuͤrkenden
Kraͤfte und ihre Reſultate ſind fuͤr den Philoſo-
phen die erheblichſten Wahrheiten: und ſo viele
groſſe Bewegungsgruͤnde muͤſſen uns aufmun-
tern, unſrer Nation dieſe Ehre zu erwerben.
Sie muͤſſen einen jeden reitzen, ſeine Provinz
zu erleuchten, um ſie dem groſſen Geſchicht-
ſchreiber in dem wahren Lichte zu zeigen. Das
Coſtume der Zeiten, der Stil jeder Verfaſ-
ſung, jedes Geſetzes und ich moͤchte ſagen jedes
antiken Worts, muß den Kunſtliebenden ver-
gnuͤgen. Die Geſchichte der Religion, der
Rechtsgelehrſamkeit, der Philoſophie, der
Kuͤnſte und ſchoͤnen Wiſſenſchaften iſt auf
ſichere Weiſe von der Staatsgeſchichte unzer-
trennlich und wuͤrde ſich mit obigen Plan vor-
zuͤglich gut verbinden laſſen. Von Meiſterhaͤn-
den verſteht ſich. Der Stil aller Kuͤnſte, ja
ſelbſt der Depeſchen und Liebesbriefe eines Her-
zogs von Richelieu, ſteht gegen einander in eini-
gem Verhaͤltniß. Jeder Krieg hat ſeinen eige-
nen Ton und die Staatshandlungen haben ihr
Colorit, ihr Coſtume und ihre Manier in Ver-
bindung mit der Religion und den Wiſſenſchaf-
ten. Rußland giebt uns davon taͤglich Bey-
ſpiele; und das franzoͤſiſche eilfertige Genie
zeigt ſich in Staatshandlungen wie im Roman.

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[181/0185] verſchaffen wollen, iſt das praͤchtigſte Schau- ſpiel, was dem Menſchen zur Bewunderung und zur Lehre gegeben werden kann; die Be- rechnung der auf beyden Seiten wuͤrkenden Kraͤfte und ihre Reſultate ſind fuͤr den Philoſo- phen die erheblichſten Wahrheiten: und ſo viele groſſe Bewegungsgruͤnde muͤſſen uns aufmun- tern, unſrer Nation dieſe Ehre zu erwerben. Sie muͤſſen einen jeden reitzen, ſeine Provinz zu erleuchten, um ſie dem groſſen Geſchicht- ſchreiber in dem wahren Lichte zu zeigen. Das Coſtume der Zeiten, der Stil jeder Verfaſ- ſung, jedes Geſetzes und ich moͤchte ſagen jedes antiken Worts, muß den Kunſtliebenden ver- gnuͤgen. Die Geſchichte der Religion, der Rechtsgelehrſamkeit, der Philoſophie, der Kuͤnſte und ſchoͤnen Wiſſenſchaften iſt auf ſichere Weiſe von der Staatsgeſchichte unzer- trennlich und wuͤrde ſich mit obigen Plan vor- zuͤglich gut verbinden laſſen. Von Meiſterhaͤn- den verſteht ſich. Der Stil aller Kuͤnſte, ja ſelbſt der Depeſchen und Liebesbriefe eines Her- zogs von Richelieu, ſteht gegen einander in eini- gem Verhaͤltniß. Jeder Krieg hat ſeinen eige- nen Ton und die Staatshandlungen haben ihr Colorit, ihr Coſtume und ihre Manier in Ver- bindung mit der Religion und den Wiſſenſchaf- ten. Rußland giebt uns davon taͤglich Bey- ſpiele; und das franzoͤſiſche eilfertige Genie zeigt ſich in Staatshandlungen wie im Roman. Man

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/185>, abgerufen am 07.05.2024.