Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

rien aufgelöset, sondern unter unruhigen Her-
ren vereiniget hatte. Von nun an war es zu ei-
ner allgemeinen Politik das Reichseigenthum
so viel möglich wieder aufzusuchen, und zur ge-
meinen Hülfe zu bringen. Der Kaiser unter-
stützte in diesem Plan die Fürsten. Diese unter-
suchten die Rechte der Dienstleute, der Geistli-
chen und der Städte, in Ansehung des Reichs-
eigenthums; und bemüheten sich so viel mög-
lich, solches auf eine oder andre Art wieder zum
Reichs-Land-Kataster zu bringen. Der Rechts-
gelehrsamkeit fehlte es an genugsamer Kennt-
niß der alten Verfassung, und vielleicht auch
an Kühnheit, die Grundsätze wieder einzufüh-
ren, nach welcher, wie in England, von dem
ganzen Reichsboden eine gemeine Hülfe erfor-
dert werden mogte. Das Steuerwesen gieng
also durch unendliche Krümmungen und quere
Processe in seinem Laufe fort. Geistliche, Edel-
leute und Städte verlohren vieles von demjeni-
gen, was sie in der mittlern Zeit und bey andern
Vertheidigungsanstalten wohl erworben und
verdient hatten. Der Landesherr ward durch
die Nutzung des gemeinen Reichseigenthums
mächtiger. Ehrgeitz, Eifersucht und Fantasie
verführten ihn zu stehenden Heeren; und die
Noth erfoderte sie anfänglich. Der Kaiser
sahe sie aus dem grossen Gesichtspunkte der all-
gemeinen Reichsvertheidigung gern, erst ohne

sie
M 3

rien aufgeloͤſet, ſondern unter unruhigen Her-
ren vereiniget hatte. Von nun an war es zu ei-
ner allgemeinen Politik das Reichseigenthum
ſo viel moͤglich wieder aufzuſuchen, und zur ge-
meinen Huͤlfe zu bringen. Der Kaiſer unter-
ſtuͤtzte in dieſem Plan die Fuͤrſten. Dieſe unter-
ſuchten die Rechte der Dienſtleute, der Geiſtli-
chen und der Staͤdte, in Anſehung des Reichs-
eigenthums; und bemuͤheten ſich ſo viel moͤg-
lich, ſolches auf eine oder andre Art wieder zum
Reichs-Land-Kataſter zu bringen. Der Rechts-
gelehrſamkeit fehlte es an genugſamer Kennt-
niß der alten Verfaſſung, und vielleicht auch
an Kuͤhnheit, die Grundſaͤtze wieder einzufuͤh-
ren, nach welcher, wie in England, von dem
ganzen Reichsboden eine gemeine Huͤlfe erfor-
dert werden mogte. Das Steuerweſen gieng
alſo durch unendliche Kruͤmmungen und quere
Proceſſe in ſeinem Laufe fort. Geiſtliche, Edel-
leute und Staͤdte verlohren vieles von demjeni-
gen, was ſie in der mittlern Zeit und bey andern
Vertheidigungsanſtalten wohl erworben und
verdient hatten. Der Landesherr ward durch
die Nutzung des gemeinen Reichseigenthums
maͤchtiger. Ehrgeitz, Eiferſucht und Fantaſie
verfuͤhrten ihn zu ſtehenden Heeren; und die
Noth erfoderte ſie anfaͤnglich. Der Kaiſer
ſahe ſie aus dem groſſen Geſichtspunkte der all-
gemeinen Reichsvertheidigung gern, erſt ohne

ſie
M 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0183" n="179"/>
rien aufgelo&#x0364;&#x017F;et, &#x017F;ondern unter unruhigen Her-<lb/>
ren vereiniget hatte. Von nun an war es zu ei-<lb/>
ner allgemeinen Politik das Reichseigenthum<lb/>
&#x017F;o viel mo&#x0364;glich wieder aufzu&#x017F;uchen, und zur ge-<lb/>
meinen Hu&#x0364;lfe zu bringen. Der Kai&#x017F;er unter-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;tzte in die&#x017F;em Plan die Fu&#x0364;r&#x017F;ten. Die&#x017F;e unter-<lb/>
&#x017F;uchten die Rechte der Dien&#x017F;tleute, der Gei&#x017F;tli-<lb/>
chen und der Sta&#x0364;dte, in An&#x017F;ehung des Reichs-<lb/>
eigenthums; und bemu&#x0364;heten &#x017F;ich &#x017F;o viel mo&#x0364;g-<lb/>
lich, &#x017F;olches auf eine oder andre Art wieder zum<lb/>
Reichs-Land-Kata&#x017F;ter zu bringen. Der Rechts-<lb/>
gelehr&#x017F;amkeit fehlte es an genug&#x017F;amer Kennt-<lb/>
niß der alten Verfa&#x017F;&#x017F;ung, und vielleicht auch<lb/>
an Ku&#x0364;hnheit, die Grund&#x017F;a&#x0364;tze wieder einzufu&#x0364;h-<lb/>
ren, nach welcher, wie in England, von dem<lb/>
ganzen Reichsboden eine gemeine Hu&#x0364;lfe erfor-<lb/>
dert werden mogte. Das Steuerwe&#x017F;en gieng<lb/>
al&#x017F;o durch unendliche Kru&#x0364;mmungen und quere<lb/>
Proce&#x017F;&#x017F;e in &#x017F;einem Laufe fort. Gei&#x017F;tliche, Edel-<lb/>
leute und Sta&#x0364;dte verlohren vieles von demjeni-<lb/>
gen, was &#x017F;ie in der mittlern Zeit und bey andern<lb/>
Vertheidigungsan&#x017F;talten wohl erworben und<lb/>
verdient hatten. Der Landesherr ward durch<lb/>
die Nutzung des gemeinen Reichseigenthums<lb/>
ma&#x0364;chtiger. Ehrgeitz, Eifer&#x017F;ucht und Fanta&#x017F;ie<lb/>
verfu&#x0364;hrten ihn zu &#x017F;tehenden Heeren; und die<lb/>
Noth erfoderte &#x017F;ie anfa&#x0364;nglich. Der Kai&#x017F;er<lb/>
&#x017F;ahe &#x017F;ie aus dem gro&#x017F;&#x017F;en Ge&#x017F;ichtspunkte der all-<lb/>
gemeinen Reichsvertheidigung gern, er&#x017F;t ohne<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0183] rien aufgeloͤſet, ſondern unter unruhigen Her- ren vereiniget hatte. Von nun an war es zu ei- ner allgemeinen Politik das Reichseigenthum ſo viel moͤglich wieder aufzuſuchen, und zur ge- meinen Huͤlfe zu bringen. Der Kaiſer unter- ſtuͤtzte in dieſem Plan die Fuͤrſten. Dieſe unter- ſuchten die Rechte der Dienſtleute, der Geiſtli- chen und der Staͤdte, in Anſehung des Reichs- eigenthums; und bemuͤheten ſich ſo viel moͤg- lich, ſolches auf eine oder andre Art wieder zum Reichs-Land-Kataſter zu bringen. Der Rechts- gelehrſamkeit fehlte es an genugſamer Kennt- niß der alten Verfaſſung, und vielleicht auch an Kuͤhnheit, die Grundſaͤtze wieder einzufuͤh- ren, nach welcher, wie in England, von dem ganzen Reichsboden eine gemeine Huͤlfe erfor- dert werden mogte. Das Steuerweſen gieng alſo durch unendliche Kruͤmmungen und quere Proceſſe in ſeinem Laufe fort. Geiſtliche, Edel- leute und Staͤdte verlohren vieles von demjeni- gen, was ſie in der mittlern Zeit und bey andern Vertheidigungsanſtalten wohl erworben und verdient hatten. Der Landesherr ward durch die Nutzung des gemeinen Reichseigenthums maͤchtiger. Ehrgeitz, Eiferſucht und Fantaſie verfuͤhrten ihn zu ſtehenden Heeren; und die Noth erfoderte ſie anfaͤnglich. Der Kaiſer ſahe ſie aus dem groſſen Geſichtspunkte der all- gemeinen Reichsvertheidigung gern, erſt ohne ſie M 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/183
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/183>, abgerufen am 07.05.2024.