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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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hatten. (Ferner im 18ten Abschn.) Konnte
wohl ein König und selbst ein Kaiser etwas
Grössers unternehmen, als 1387, nachdem
Jtalien wieder zur Freyheit gelanget, Joann
Galeazzo, Herzog von Mayland, unternahm,
ich meyne die Erbanung des Doms, der an
Grösse, Vortreflichkeit der Steine, Menge der
Bildhauerey und des Schnitzwerks, jedem an-
dern Tempel, den irgend die Griechen oder Rö-
mer aufgeführt haben, gleich geachtet werden
kann? Aber er sieht doch nicht anders aus, als
ein durchbrochenes Gebirge von Steinen und
andern Bauzeuge, das zugerichtet, aber unor-
dentlich durch einander zusammen gethürmt
worden ist; denn es mangelt der Erfindung an
Schönheit und allgemeiner Form, an Harmo-
nie, den Theilen und Gliedern an Verbindung;
alles ist schwach und, gleich als ob es nicht zu-
sammen gehörte, von einander getrennt. Da-
her ist es auch unmöglich gewesen, sowohl die
Vorderseite als den übrigen Theil des Gebäu-
des bis zum Dache und die Kuppel auf eine nur
erträgliche Weise auszuführen. Zwar fanden
noch Pelegrini und Bassi am Ende ein Mittel,
die Vorderseite zu Stande zu bringen.

Blondel sagt im 1sten Abschnitte seiner Ar-
chitecktur S. 1. die gute Architecktur sey nach
den Einfällen der Barbaren lange Zeit unter
den Ruinen der alten Gebäude verborgen ge-

blie-

hatten. (Ferner im 18ten Abſchn.) Konnte
wohl ein Koͤnig und ſelbſt ein Kaiſer etwas
Groͤſſers unternehmen, als 1387, nachdem
Jtalien wieder zur Freyheit gelanget, Joann
Galeazzo, Herzog von Mayland, unternahm,
ich meyne die Erbanung des Doms, der an
Groͤſſe, Vortreflichkeit der Steine, Menge der
Bildhauerey und des Schnitzwerks, jedem an-
dern Tempel, den irgend die Griechen oder Roͤ-
mer aufgefuͤhrt haben, gleich geachtet werden
kann? Aber er ſieht doch nicht anders aus, als
ein durchbrochenes Gebirge von Steinen und
andern Bauzeuge, das zugerichtet, aber unor-
dentlich durch einander zuſammen gethuͤrmt
worden iſt; denn es mangelt der Erfindung an
Schoͤnheit und allgemeiner Form, an Harmo-
nie, den Theilen und Gliedern an Verbindung;
alles iſt ſchwach und, gleich als ob es nicht zu-
ſammen gehoͤrte, von einander getrennt. Da-
her iſt es auch unmoͤglich geweſen, ſowohl die
Vorderſeite als den uͤbrigen Theil des Gebaͤu-
des bis zum Dache und die Kuppel auf eine nur
ertraͤgliche Weiſe auszufuͤhren. Zwar fanden
noch Pelegrini und Baſſi am Ende ein Mittel,
die Vorderſeite zu Stande zu bringen.

Blondel ſagt im 1ſten Abſchnitte ſeiner Ar-
chitecktur S. 1. die gute Architecktur ſey nach
den Einfaͤllen der Barbaren lange Zeit unter
den Ruinen der alten Gebaͤude verborgen ge-

blie-
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[160/0164] hatten. (Ferner im 18ten Abſchn.) Konnte wohl ein Koͤnig und ſelbſt ein Kaiſer etwas Groͤſſers unternehmen, als 1387, nachdem Jtalien wieder zur Freyheit gelanget, Joann Galeazzo, Herzog von Mayland, unternahm, ich meyne die Erbanung des Doms, der an Groͤſſe, Vortreflichkeit der Steine, Menge der Bildhauerey und des Schnitzwerks, jedem an- dern Tempel, den irgend die Griechen oder Roͤ- mer aufgefuͤhrt haben, gleich geachtet werden kann? Aber er ſieht doch nicht anders aus, als ein durchbrochenes Gebirge von Steinen und andern Bauzeuge, das zugerichtet, aber unor- dentlich durch einander zuſammen gethuͤrmt worden iſt; denn es mangelt der Erfindung an Schoͤnheit und allgemeiner Form, an Harmo- nie, den Theilen und Gliedern an Verbindung; alles iſt ſchwach und, gleich als ob es nicht zu- ſammen gehoͤrte, von einander getrennt. Da- her iſt es auch unmoͤglich geweſen, ſowohl die Vorderſeite als den uͤbrigen Theil des Gebaͤu- des bis zum Dache und die Kuppel auf eine nur ertraͤgliche Weiſe auszufuͤhren. Zwar fanden noch Pelegrini und Baſſi am Ende ein Mittel, die Vorderſeite zu Stande zu bringen. Blondel ſagt im 1ſten Abſchnitte ſeiner Ar- chitecktur S. 1. die gute Architecktur ſey nach den Einfaͤllen der Barbaren lange Zeit unter den Ruinen der alten Gebaͤude verborgen ge- blie-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/164>, abgerufen am 07.05.2024.