Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.dem Gerüste nur eben so viel gezeigt hat, als Sollte es denn jemand in der Welt brau- den- G 5
dem Geruͤſte nur eben ſo viel gezeigt hat, als Sollte es denn jemand in der Welt brau- den- G 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0109" n="105"/> dem Geruͤſte nur eben ſo viel gezeigt hat, als<lb/> er in der Zeit im Schneckengange ſeines Le-<lb/> bens ſehen wuͤrde — welch ein Geſchoͤpf,<lb/> dem das Hauptfreude waͤre! und welch ein<lb/> Dichter, der darauf als Hauptzweck arbei-<lb/> tete, und ſich denn mit dem Regelnkram bruͤ-<lb/> ſtete „wie artig habe ich nicht ſo viel und ſo<lb/> viel ſchoͤne Spielewerke! auf den engen ge-<lb/> gebnen Raum dieſer Brettergrube, <hi rendition="#aq">theatre<lb/> François</hi> genannt, und in dengegebnen Zeit-<lb/> raum der Viſite dahin eingeklemmt und ein-<lb/> gepaßt! die Scenen filirt und enfilirt! alles<lb/> genau geflickt und geheftet‟ — elender Ce-<lb/> remonienmeiſter! Savogarde des Theaters,<lb/> nicht Schoͤpfer! Dichter! dramatiſcher Gott!<lb/> Als ſolchem ſchlaͤgt dir keine Uhr auf Thurm<lb/> und Tempel, ſondern du haſt Raum und<lb/> Zeitmaaſſe zu ſchaffen, und wenn du eine<lb/> Welt hervorbringen kannſt, und die nicht<lb/> anders, als in Raum und Zeit erſiſtiret, ſiehe,<lb/> ſo iſt da im Jnnern dein Maaß von Friſt und<lb/> Raum; dahin du alle Zuſchauer zaubern,<lb/> daß du Allen auf dringen mußt, oder du biſt —<lb/> was ich geſagt habe, nur nichts weniger, als<lb/> dramatiſcher Dichter.</p><lb/> <p>Sollte es denn jemand in der Welt brau-<lb/> chen demonſtrirt zu werden, daß Raum und<lb/> Zeit eigentlich an ſich nichts, daß ſie die rela-<lb/> tiveſte Sache auf Daſeyn, Handlung, Lei-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 5</fw><fw place="bottom" type="catch">den-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0109]
dem Geruͤſte nur eben ſo viel gezeigt hat, als
er in der Zeit im Schneckengange ſeines Le-
bens ſehen wuͤrde — welch ein Geſchoͤpf,
dem das Hauptfreude waͤre! und welch ein
Dichter, der darauf als Hauptzweck arbei-
tete, und ſich denn mit dem Regelnkram bruͤ-
ſtete „wie artig habe ich nicht ſo viel und ſo
viel ſchoͤne Spielewerke! auf den engen ge-
gebnen Raum dieſer Brettergrube, theatre
François genannt, und in dengegebnen Zeit-
raum der Viſite dahin eingeklemmt und ein-
gepaßt! die Scenen filirt und enfilirt! alles
genau geflickt und geheftet‟ — elender Ce-
remonienmeiſter! Savogarde des Theaters,
nicht Schoͤpfer! Dichter! dramatiſcher Gott!
Als ſolchem ſchlaͤgt dir keine Uhr auf Thurm
und Tempel, ſondern du haſt Raum und
Zeitmaaſſe zu ſchaffen, und wenn du eine
Welt hervorbringen kannſt, und die nicht
anders, als in Raum und Zeit erſiſtiret, ſiehe,
ſo iſt da im Jnnern dein Maaß von Friſt und
Raum; dahin du alle Zuſchauer zaubern,
daß du Allen auf dringen mußt, oder du biſt —
was ich geſagt habe, nur nichts weniger, als
dramatiſcher Dichter.
Sollte es denn jemand in der Welt brau-
chen demonſtrirt zu werden, daß Raum und
Zeit eigentlich an ſich nichts, daß ſie die rela-
tiveſte Sache auf Daſeyn, Handlung, Lei-
den-
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