Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

mußte -- welcher Ourang-Outang aber hat je
mit allen menschlichen Sprachwerkzeugen ein Ein-
ziges menschliches Wort gesprochen?

Es giebt freilich noch Negerbrüder in Europa,
die da sagen "ja vielleicht -- wenn er nur sprechen
wollte! -- oder in Umständen käme! -- -- oder
"könnte!" -- - - Könnte! das wäre wohl das
beste, denn die beiden vorigen Wenn sind durch
die Thiergeschichte gnugsam wiederlegt- und durch
die Werkzeuge wird, wie gesagt, bei ihm das Kön-
nen nicht aufgehalten! Er hat einen Kopf von
aussen und innen, wie wir; hat er aber je gere-
det? Papagei und Staar haben gnug menschliche
Schälle gelernt; aber auch ein menschliches Wort
gedacht? -- Ueberhaupt gehen uns hier noch die
äussern Schälle der Worte nicht an; wir reden
von der innern, nothwendigen Genesis eines
Worts, als das Merkmal einer deutlichen Besin-
nung -- wenn aber hat das je eine Thierart, auf
welche Weise es sei, geäußert? Abgemerkt mußte
dieser Faden der Gedanken, dieser Discours der
Seele, immer werden können, er äußere sich, wie

er

mußte — welcher Ourang-Outang aber hat je
mit allen menſchlichen Sprachwerkzeugen ein Ein-
ziges menſchliches Wort geſprochen?

Es giebt freilich noch Negerbruͤder in Europa,
die da ſagen „ja vielleicht — wenn er nur ſprechen
wollte! — oder in Umſtaͤnden kaͤme! — — oder
„koͤnnte!„ — ‒ ‒ Koͤnnte! das waͤre wohl das
beſte, denn die beiden vorigen Wenn ſind durch
die Thiergeſchichte gnugſam wiederlegt- und durch
die Werkzeuge wird, wie geſagt, bei ihm das Koͤn-
nen nicht aufgehalten! Er hat einen Kopf von
auſſen und innen, wie wir; hat er aber je gere-
det? Papagei und Staar haben gnug menſchliche
Schaͤlle gelernt; aber auch ein menſchliches Wort
gedacht? — Ueberhaupt gehen uns hier noch die
aͤuſſern Schaͤlle der Worte nicht an; wir reden
von der innern, nothwendigen Geneſis eines
Worts, als das Merkmal einer deutlichen Beſin-
nung — wenn aber hat das je eine Thierart, auf
welche Weiſe es ſei, geaͤußert? Abgemerkt mußte
dieſer Faden der Gedanken, dieſer Diſcours der
Seele, immer werden koͤnnen, er aͤußere ſich, wie

er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0076" n="70"/>
mußte &#x2014; welcher Ourang-Outang aber hat je<lb/>
mit allen men&#x017F;chlichen Sprachwerkzeugen ein Ein-<lb/>
ziges men&#x017F;chliches Wort ge&#x017F;prochen?</p><lb/>
          <p>Es giebt freilich noch Negerbru&#x0364;der in Europa,<lb/>
die da &#x017F;agen &#x201E;ja vielleicht &#x2014; wenn er nur &#x017F;prechen<lb/>
wollte! &#x2014; oder in Um&#x017F;ta&#x0364;nden ka&#x0364;me! &#x2014; &#x2014; oder<lb/>
&#x201E;ko&#x0364;nnte!&#x201E; &#x2014; &#x2012; &#x2012; Ko&#x0364;nnte! das wa&#x0364;re wohl das<lb/>
be&#x017F;te, denn die beiden vorigen <hi rendition="#fr">Wenn</hi> &#x017F;ind durch<lb/>
die Thierge&#x017F;chichte gnug&#x017F;am wiederlegt- und durch<lb/>
die Werkzeuge wird, wie ge&#x017F;agt, bei ihm das Ko&#x0364;n-<lb/>
nen nicht aufgehalten! Er hat einen Kopf von<lb/>
au&#x017F;&#x017F;en und innen, wie wir; hat er aber je gere-<lb/>
det? Papagei und Staar haben gnug men&#x017F;chliche<lb/>
Scha&#x0364;lle gelernt; aber auch ein men&#x017F;chliches Wort<lb/>
gedacht? &#x2014; Ueberhaupt gehen uns hier noch die<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern Scha&#x0364;lle der Worte nicht an; wir reden<lb/>
von der innern, nothwendigen <hi rendition="#fr">Gene&#x017F;is</hi> eines<lb/>
Worts, als das Merkmal einer deutlichen Be&#x017F;in-<lb/>
nung &#x2014; wenn aber hat das je eine Thierart, auf<lb/>
welche Wei&#x017F;e es &#x017F;ei, gea&#x0364;ußert? Abgemerkt mußte<lb/>
die&#x017F;er Faden der Gedanken, die&#x017F;er Di&#x017F;cours der<lb/>
Seele, immer werden ko&#x0364;nnen, er a&#x0364;ußere &#x017F;ich, wie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0076] mußte — welcher Ourang-Outang aber hat je mit allen menſchlichen Sprachwerkzeugen ein Ein- ziges menſchliches Wort geſprochen? Es giebt freilich noch Negerbruͤder in Europa, die da ſagen „ja vielleicht — wenn er nur ſprechen wollte! — oder in Umſtaͤnden kaͤme! — — oder „koͤnnte!„ — ‒ ‒ Koͤnnte! das waͤre wohl das beſte, denn die beiden vorigen Wenn ſind durch die Thiergeſchichte gnugſam wiederlegt- und durch die Werkzeuge wird, wie geſagt, bei ihm das Koͤn- nen nicht aufgehalten! Er hat einen Kopf von auſſen und innen, wie wir; hat er aber je gere- det? Papagei und Staar haben gnug menſchliche Schaͤlle gelernt; aber auch ein menſchliches Wort gedacht? — Ueberhaupt gehen uns hier noch die aͤuſſern Schaͤlle der Worte nicht an; wir reden von der innern, nothwendigen Geneſis eines Worts, als das Merkmal einer deutlichen Beſin- nung — wenn aber hat das je eine Thierart, auf welche Weiſe es ſei, geaͤußert? Abgemerkt mußte dieſer Faden der Gedanken, dieſer Diſcours der Seele, immer werden koͤnnen, er aͤußere ſich, wie er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/76
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/76>, abgerufen am 06.05.2024.