Lichte gedacht, daß er sich mit dem zweiten ver- binden könnte "das habe ich nicht!") würkliche Reflexion; und nun der dritte und vierte "wohl! "das wäre auch meiner Natur gemäß! das könnte "ich nachahmen! das will ich nachahmen! da- "durch wird mein Geschlecht vollkommner!" wel- che Menge von feinen, fortschließenden Reflexio- nen! da das Geschöpf, das nur die Erste sich auseinander sezzen konnte, schon Sprache der Seele haben mußte! schon die Kunst zu denken be- saß, die die Kunst zu sprechen schuf. Der Affe äffet immer nach, aber nachgeahmt hat er nie: Nie mit Besonnenheit zu sich gesprochen "das will "ich nachahmen, um mein Geschlecht vollkomm- "ner zu machen!" Denn hätte er das je, hätte er eine Einzige Nachahmung sich zu Eigen gemacht, sie in seinem Geschlecht, mit Wahl und Absicht verewigt; hätte er auch nur ein einzigesmal eine Einzige solche Reflexion denken können -- Den- selben Augenblick war er kein Affe mehr! Jn aller seiner Affengestalt, ohne einen Laut seiner Zunge, war er inwendig sprechender Mensch, der sich über kurz oder lang seine äußerliche Sprache erfinden
mußte
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Lichte gedacht, daß er ſich mit dem zweiten ver- binden koͤnnte „das habe ich nicht!„) wuͤrkliche Reflexion; und nun der dritte und vierte „wohl! „das waͤre auch meiner Natur gemaͤß! das koͤnnte „ich nachahmen! das will ich nachahmen! da- „durch wird mein Geſchlecht vollkommner!„ wel- che Menge von feinen, fortſchließenden Reflexio- nen! da das Geſchoͤpf, das nur die Erſte ſich auseinander ſezzen konnte, ſchon Sprache der Seele haben mußte! ſchon die Kunſt zu denken be- ſaß, die die Kunſt zu ſprechen ſchuf. Der Affe aͤffet immer nach, aber nachgeahmt hat er nie: Nie mit Beſonnenheit zu ſich geſprochen „das will „ich nachahmen, um mein Geſchlecht vollkomm- „ner zu machen!„ Denn haͤtte er das je, haͤtte er eine Einzige Nachahmung ſich zu Eigen gemacht, ſie in ſeinem Geſchlecht, mit Wahl und Abſicht verewigt; haͤtte er auch nur ein einzigesmal eine Einzige ſolche Reflexion denken koͤnnen — Den- ſelben Augenblick war er kein Affe mehr! Jn aller ſeiner Affengeſtalt, ohne einen Laut ſeiner Zunge, war er inwendig ſprechender Menſch, der ſich uͤber kurz oder lang ſeine aͤußerliche Sprache erfinden
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Lichte gedacht, daß er ſich mit dem zweiten ver-
binden koͤnnte „das habe ich nicht!„) wuͤrkliche
Reflexion; und nun der dritte und vierte „wohl!
„das waͤre auch meiner Natur gemaͤß! das koͤnnte
„ich nachahmen! das will ich nachahmen! da-
„durch wird mein Geſchlecht vollkommner!„ wel-
che Menge von feinen, fortſchließenden Reflexio-
nen! da das Geſchoͤpf, das nur die Erſte ſich
auseinander ſezzen konnte, ſchon Sprache der
Seele haben mußte! ſchon die Kunſt zu denken be-
ſaß, die die Kunſt zu ſprechen ſchuf. Der Affe
aͤffet immer nach, aber nachgeahmt hat er nie:
Nie mit Beſonnenheit zu ſich geſprochen „das will
„ich nachahmen, um mein Geſchlecht vollkomm-
„ner zu machen!„ Denn haͤtte er das je, haͤtte
er eine Einzige Nachahmung ſich zu Eigen gemacht,
ſie in ſeinem Geſchlecht, mit Wahl und Abſicht
verewigt; haͤtte er auch nur ein einzigesmal eine
Einzige ſolche Reflexion denken koͤnnen — Den-
ſelben Augenblick war er kein Affe mehr! Jn aller
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war er inwendig ſprechender Menſch, der ſich uͤber
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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/75>, abgerufen am 22.07.2024.
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