nur eine Luftblase blendend gemacht, die er eine Zeitlang vor sich hertreibt, die ihm selbst aber unver- muthet auf seinem Wege zerspringt. Und ist in der Fähigkeit nichts da; wodurch soll es denn je in die Seele kommen? Jst im ersten Zustande nichts Positives von Vernunft in der Seele, wie wirds bei Millionen der folgenden Zustände würklich wer- den? Es ist Worttrug, daß der Gebrauch eine Fähigkeit, in Kraft, etwas blos Mögliches, in ein Würkliches verwandeln könne -- ist nicht schon Kraft da, so kann sie ja nicht gebraucht und ange- wandt werden. Zudem endlich, was ist beides, eine abgetrennte Vernunftfähigkeit und Vernunft- kraft in der Seele? Eines ist so unverständlich, als das Andre. Setzet den Menschen, als das Wesen was Er ist, mit dem Grade von Sinnlichkeit, und der Organisation ins Universum: von allen Sei- ten, durch alle Sinne strömt dies in Empfindun- gen auf ihn los; durch menschliche Sinne? Auf menschliche Weise? So wird also, mit den Thie- ren verglichen, dies denkende Wesen weniger über- ströhmt? Es hat Raum, seine Kraft freier zu äus- sern, und dieses Verhältniß heißt Vernunftmäßig-
keit
nur eine Luftblaſe blendend gemacht, die er eine Zeitlang vor ſich hertreibt, die ihm ſelbſt aber unver- muthet auf ſeinem Wege zerſpringt. Und iſt in der Faͤhigkeit nichts da; wodurch ſoll es denn je in die Seele kommen? Jſt im erſten Zuſtande nichts Poſitives von Vernunft in der Seele, wie wirds bei Millionen der folgenden Zuſtaͤnde wuͤrklich wer- den? Es iſt Worttrug, daß der Gebrauch eine Faͤhigkeit, in Kraft, etwas blos Moͤgliches, in ein Wuͤrkliches verwandeln koͤnne — iſt nicht ſchon Kraft da, ſo kann ſie ja nicht gebraucht und ange- wandt werden. Zudem endlich, was iſt beides, eine abgetrennte Vernunftfaͤhigkeit und Vernunft- kraft in der Seele? Eines iſt ſo unverſtaͤndlich, als das Andre. Setzet den Menſchen, als das Weſen was Er iſt, mit dem Grade von Sinnlichkeit, und der Organiſation ins Univerſum: von allen Sei- ten, durch alle Sinne ſtroͤmt dies in Empfindun- gen auf ihn los; durch menſchliche Sinne? Auf menſchliche Weiſe? So wird alſo, mit den Thie- ren verglichen, dies denkende Weſen weniger uͤber- ſtroͤhmt? Es hat Raum, ſeine Kraft freier zu aͤuſ- ſern, und dieſes Verhaͤltniß heißt Vernunftmaͤßig-
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nur eine Luftblaſe blendend gemacht, die er eine
Zeitlang vor ſich hertreibt, die ihm ſelbſt aber unver-
muthet auf ſeinem Wege zerſpringt. Und iſt in
der Faͤhigkeit nichts da; wodurch ſoll es denn je in
die Seele kommen? Jſt im erſten Zuſtande nichts
Poſitives von Vernunft in der Seele, wie wirds
bei Millionen der folgenden Zuſtaͤnde wuͤrklich wer-
den? Es iſt Worttrug, daß der Gebrauch eine
Faͤhigkeit, in Kraft, etwas blos Moͤgliches, in ein
Wuͤrkliches verwandeln koͤnne — iſt nicht ſchon
Kraft da, ſo kann ſie ja nicht gebraucht und ange-
wandt werden. Zudem endlich, was iſt beides,
eine abgetrennte Vernunftfaͤhigkeit und Vernunft-
kraft in der Seele? Eines iſt ſo unverſtaͤndlich, als
das Andre. Setzet den Menſchen, als das Weſen
was Er iſt, mit dem Grade von Sinnlichkeit, und
der Organiſation ins Univerſum: von allen Sei-
ten, durch alle Sinne ſtroͤmt dies in Empfindun-
gen auf ihn los; durch menſchliche Sinne? Auf
menſchliche Weiſe? So wird alſo, mit den Thie-
ren verglichen, dies denkende Weſen weniger uͤber-
ſtroͤhmt? Es hat Raum, ſeine Kraft freier zu aͤuſ-
ſern, und dieſes Verhaͤltniß heißt Vernunftmaͤßig-
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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/56>, abgerufen am 22.07.2024.
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