"Sprache hätte menschlich entstehen sollen, wie sie "hätte entstehen müssen?" Er fängt, wie sein Vorgänger, mit dem Geschrei der Natur an, aus dem die menschliche Sprache werde. Jch sehe nie, wie sie daraus geworden wäre, und wundre mich, daß der Scharfsinn eines Rousseau sie einen Au- genblick daraus habe können werden lassen?
Maupertuis kleine Schrift ist mir nicht bei Händen; wenn ich aber dem Auszuge eines Man- nes *) trauen darf, dessen nicht kleinstes Ver- dienst Treue und Genauigkeit war, so hat auch er den Ursprung der Sprache nicht gnug von die- sen thierischen Lauten abgesondert, und gehet also mit den vorigen auf einer Straße.
Diodor endlich und Vitruv, die zudem den Menschenursprung der Sprache mehr geglaubt als hergeleitet, haben die Sachen am offenbarsten ver- dorben, da sie die Menschen, erst Zeitenlang, als Thiere, mit Geschrei in Wäldern schweifen, und sich nachher, weiß Gott, woher? und weiß Gott! wozu? Sprache erfinden lassen -- --.
Da
*) Süßmilch Beweis für die Göttlichkeit etc. Anhang 3. S. 110.
„Sprache haͤtte menſchlich entſtehen ſollen, wie ſie „haͤtte entſtehen muͤſſen?„ Er faͤngt, wie ſein Vorgaͤnger, mit dem Geſchrei der Natur an, aus dem die menſchliche Sprache werde. Jch ſehe nie, wie ſie daraus geworden waͤre, und wundre mich, daß der Scharfſinn eines Rouſſeau ſie einen Au- genblick daraus habe koͤnnen werden laſſen?
Maupertuis kleine Schrift iſt mir nicht bei Haͤnden; wenn ich aber dem Auszuge eines Man- nes *) trauen darf, deſſen nicht kleinſtes Ver- dienſt Treue und Genauigkeit war, ſo hat auch er den Urſprung der Sprache nicht gnug von die- ſen thieriſchen Lauten abgeſondert, und gehet alſo mit den vorigen auf einer Straße.
Diodor endlich und Vitruv, die zudem den Menſchenurſprung der Sprache mehr geglaubt als hergeleitet, haben die Sachen am offenbarſten ver- dorben, da ſie die Menſchen, erſt Zeitenlang, als Thiere, mit Geſchrei in Waͤldern ſchweifen, und ſich nachher, weiß Gott, woher? und weiß Gott! wozu? Sprache erfinden laſſen — —.
Da
*) Süßmilch Beweis für die Göttlichkeit ꝛc. Anhang 3. S. 110.
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„Sprache haͤtte menſchlich entſtehen ſollen, wie ſie
„haͤtte entſtehen muͤſſen?„ Er faͤngt, wie ſein
Vorgaͤnger, mit dem Geſchrei der Natur an, aus
dem die menſchliche Sprache werde. Jch ſehe nie,
wie ſie daraus geworden waͤre, und wundre mich,
daß der Scharfſinn eines Rouſſeau ſie einen Au-
genblick daraus habe koͤnnen werden laſſen?
Maupertuis kleine Schrift iſt mir nicht bei
Haͤnden; wenn ich aber dem Auszuge eines Man-
nes *) trauen darf, deſſen nicht kleinſtes Ver-
dienſt Treue und Genauigkeit war, ſo hat auch
er den Urſprung der Sprache nicht gnug von die-
ſen thieriſchen Lauten abgeſondert, und gehet alſo
mit den vorigen auf einer Straße.
Diodor endlich und Vitruv, die zudem den
Menſchenurſprung der Sprache mehr geglaubt als
hergeleitet, haben die Sachen am offenbarſten ver-
dorben, da ſie die Menſchen, erſt Zeitenlang, als
Thiere, mit Geſchrei in Waͤldern ſchweifen, und
ſich nachher, weiß Gott, woher? und weiß Gott!
wozu? Sprache erfinden laſſen — —.
Da
*) Süßmilch Beweis für die Göttlichkeit ꝛc. Anhang 3.
S. 110.
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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/35>, abgerufen am 03.07.2024.
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