der Feier, des Schreckens, der Furcht, der Freu- de, in unsre Seele -- Das Wort tönet, und wie eine Schaar von Geistern stehen sie alle mit Einmal in ihrer dunkeln Majestät aus dem Grabe der Seele auf: sie verdunkeln den reinen, hellen Begriff des Worts, der nur ohne sie gefaßt wer- den konnte -- Das Wort ist weg und der Ton der Empfindung tönet. Dunkles Gefühl überman- net uns: der Leichtsinnige grauset und zittert -- nicht über Gedanken, sondern über Sylben, über Töne der Kindheit und es war Zauberkraft des Redners, des Dichters, uns wieder zum Kinde zu machen. Kein Bedacht, keine Ueberlegung, das bloße Naturgesetz lag zum Grunde: "Ton "der Empfindung soll das sympathetische "Geschöpf in denselben Ton versetzen!"
Wollen wir also diese unmittelbaren Laute der Empfindung Sprache nennen; so sinde ich ihren Ursprung allerdings sehr natürlich. Er ist nicht blos nicht übermenschlich: sondern offenbar thie- risch: das Naturgesetz einer empfindsamen Maschiene.
Aber
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der Feier, des Schreckens, der Furcht, der Freu- de, in unſre Seele — Das Wort toͤnet, und wie eine Schaar von Geiſtern ſtehen ſie alle mit Einmal in ihrer dunkeln Majeſtaͤt aus dem Grabe der Seele auf: ſie verdunkeln den reinen, hellen Begriff des Worts, der nur ohne ſie gefaßt wer- den konnte — Das Wort iſt weg und der Ton der Empfindung toͤnet. Dunkles Gefuͤhl uͤberman- net uns: der Leichtſinnige grauſet und zittert — nicht uͤber Gedanken, ſondern uͤber Sylben, uͤber Toͤne der Kindheit und es war Zauberkraft des Redners, des Dichters, uns wieder zum Kinde zu machen. Kein Bedacht, keine Ueberlegung, das bloße Naturgeſetz lag zum Grunde: „Ton „der Empfindung ſoll das ſympathetiſche „Geſchoͤpf in denſelben Ton verſetzen!„
Wollen wir alſo dieſe unmittelbaren Laute der Empfindung Sprache nennen; ſo ſinde ich ihren Urſprung allerdings ſehr natuͤrlich. Er iſt nicht blos nicht uͤbermenſchlich: ſondern offenbar thie- riſch: das Naturgeſetz einer empfindſamen Maſchiene.
Aber
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der Feier, des Schreckens, der Furcht, der Freu-
de, in unſre Seele — Das Wort toͤnet, und
wie eine Schaar von Geiſtern ſtehen ſie alle mit
Einmal in ihrer dunkeln Majeſtaͤt aus dem Grabe
der Seele auf: ſie verdunkeln den reinen, hellen
Begriff des Worts, der nur ohne ſie gefaßt wer-
den konnte — Das Wort iſt weg und der Ton
der Empfindung toͤnet. Dunkles Gefuͤhl uͤberman-
net uns: der Leichtſinnige grauſet und zittert —
nicht uͤber Gedanken, ſondern uͤber Sylben, uͤber
Toͤne der Kindheit und es war Zauberkraft des
Redners, des Dichters, uns wieder zum Kinde
zu machen. Kein Bedacht, keine Ueberlegung,
das bloße Naturgeſetz lag zum Grunde: „Ton
„der Empfindung ſoll das ſympathetiſche
„Geſchoͤpf in denſelben Ton verſetzen!„
Wollen wir alſo dieſe unmittelbaren Laute der
Empfindung Sprache nennen; ſo ſinde ich ihren
Urſprung allerdings ſehr natuͤrlich. Er iſt nicht
blos nicht uͤbermenſchlich: ſondern offenbar thie-
riſch: das Naturgeſetz einer empfindſamen
Maſchiene.
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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/29>, abgerufen am 16.02.2025.
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