Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

theil. "Eben weil die menschliche Vernunft nicht
"ohne Abstraktion seyn kann, und jede Ab-
"straktion
nicht ohne Sprache wird: So muß
"die Sprache auch in jedem Volk Abstraktionen
"enthalten, das ist, ein Abdruck der Vernunft
"seyn, von der sie ein Werkzeug gewesen."
"Wie aber jede nur so viel enthält, als das Volk
"hat machen können, und keine einzige, die
"ohne Sinne gemacht wäre, als welches ihr
"ursprünglich sinnlicher Ausdruck zeigt: so ist nir-
"gends göttliche Ordnung zu sehen, als so fern
"die Sprache durchaus Menschlich ist.

V. Endlich "da jede Grammatik nur eine Phi-
"losophie über die Sprache, und eine Me-
"thode ihres Gebrauchs ist: so muß je ur-
"sprünglicher die Sprache, desto weniger
"Grammatik in ihr seyn, und die älteste ist
"blos das vorangezeigte Wörterbuch der Na-
"tur!" Jch reiße einige Steigerungen ab.

1) Deklinationen und Conjugationen sind
nichts anders, als Verkürzungen und Bestimmun-
gen des Gebrauchs der Nominum und Verborum nach
Zahl, Zeit und Art, und Person? Je roher also

eine
J

theil. „Eben weil die menſchliche Vernunft nicht
„ohne Abſtraktion ſeyn kann, und jede Ab-
„ſtraktion
nicht ohne Sprache wird: So muß
„die Sprache auch in jedem Volk Abſtraktionen
„enthalten, das iſt, ein Abdruck der Vernunft
„ſeyn, von der ſie ein Werkzeug geweſen.„
„Wie aber jede nur ſo viel enthaͤlt, als das Volk
„hat machen koͤnnen, und keine einzige, die
„ohne Sinne gemacht waͤre, als welches ihr
„urſpruͤnglich ſinnlicher Ausdruck zeigt: ſo iſt nir-
„gends goͤttliche Ordnung zu ſehen, als ſo fern
„die Sprache durchaus Menſchlich iſt.

V. Endlich „da jede Grammatik nur eine Phi-
„loſophie uͤber die Sprache, und eine Me-
„thode ihres Gebrauchs iſt: ſo muß je ur-
„ſpruͤnglicher die Sprache, deſto weniger
„Grammatik in ihr ſeyn, und die aͤlteſte iſt
„blos das vorangezeigte Woͤrterbuch der Na-
„tur!„ Jch reiße einige Steigerungen ab.

1) Deklinationen und Conjugationen ſind
nichts anders, als Verkuͤrzungen und Beſtimmun-
gen des Gebrauchs der Nominum und Verborum nach
Zahl, Zeit und Art, und Perſon? Je roher alſo

eine
J
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0135" n="129"/>
theil. &#x201E;Eben weil die <hi rendition="#fr">men&#x017F;chliche Vernunft</hi> nicht<lb/><hi rendition="#fr">&#x201E;ohne Ab&#x017F;traktion</hi> &#x017F;eyn kann, und <hi rendition="#fr">jede Ab-<lb/>
&#x201E;&#x017F;traktion</hi> nicht <hi rendition="#fr">ohne Sprache</hi> wird: So muß<lb/>
&#x201E;die Sprache auch in <hi rendition="#fr">jedem</hi> Volk <hi rendition="#fr">Ab&#x017F;traktionen</hi><lb/>
&#x201E;enthalten, das i&#x017F;t, ein <hi rendition="#fr">Abdruck</hi> der <hi rendition="#fr">Vernunft</hi><lb/>
&#x201E;&#x017F;eyn, von der &#x017F;ie ein <hi rendition="#fr">Werkzeug</hi> gewe&#x017F;en.&#x201E;<lb/>
&#x201E;Wie aber <hi rendition="#fr">jede</hi> nur <hi rendition="#fr">&#x017F;o viel</hi> entha&#x0364;lt, als das Volk<lb/>
&#x201E;hat machen ko&#x0364;nnen, und <hi rendition="#fr">keine einzige,</hi> die<lb/><hi rendition="#fr">&#x201E;ohne Sinne gemacht wa&#x0364;re,</hi> als welches ihr<lb/>
&#x201E;ur&#x017F;pru&#x0364;nglich &#x017F;innlicher Ausdruck zeigt: &#x017F;o i&#x017F;t nir-<lb/>
&#x201E;gends go&#x0364;ttliche Ordnung zu &#x017F;ehen, als <hi rendition="#fr">&#x017F;o fern<lb/>
&#x201E;die Sprache durchaus Men&#x017F;chlich i&#x017F;t.</hi></p><lb/>
            <list>
              <item><hi rendition="#aq">V.</hi> Endlich &#x201E;da jede Grammatik nur eine Phi-<lb/>
&#x201E;lo&#x017F;ophie u&#x0364;ber die Sprache, und eine Me-<lb/>
&#x201E;thode ihres Gebrauchs i&#x017F;t: &#x017F;o muß je ur-<lb/>
&#x201E;&#x017F;pru&#x0364;nglicher die Sprache, de&#x017F;to weniger<lb/>
&#x201E;Grammatik in ihr &#x017F;eyn, und die a&#x0364;lte&#x017F;te i&#x017F;t<lb/>
&#x201E;blos das vorangezeigte Wo&#x0364;rterbuch der Na-<lb/>
&#x201E;tur!&#x201E; Jch reiße einige Steigerungen ab.</item>
            </list><lb/>
            <p>1) <hi rendition="#fr">Deklinationen</hi> und <hi rendition="#fr">Conjugationen</hi> &#x017F;ind<lb/>
nichts anders, als Verku&#x0364;rzungen und Be&#x017F;timmun-<lb/>
gen des Gebrauchs der <hi rendition="#aq">Nominum</hi> und <hi rendition="#aq">Verborum</hi> nach<lb/>
Zahl, Zeit und Art, und Per&#x017F;on? Je roher al&#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J</fw><fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0135] theil. „Eben weil die menſchliche Vernunft nicht „ohne Abſtraktion ſeyn kann, und jede Ab- „ſtraktion nicht ohne Sprache wird: So muß „die Sprache auch in jedem Volk Abſtraktionen „enthalten, das iſt, ein Abdruck der Vernunft „ſeyn, von der ſie ein Werkzeug geweſen.„ „Wie aber jede nur ſo viel enthaͤlt, als das Volk „hat machen koͤnnen, und keine einzige, die „ohne Sinne gemacht waͤre, als welches ihr „urſpruͤnglich ſinnlicher Ausdruck zeigt: ſo iſt nir- „gends goͤttliche Ordnung zu ſehen, als ſo fern „die Sprache durchaus Menſchlich iſt. V. Endlich „da jede Grammatik nur eine Phi- „loſophie uͤber die Sprache, und eine Me- „thode ihres Gebrauchs iſt: ſo muß je ur- „ſpruͤnglicher die Sprache, deſto weniger „Grammatik in ihr ſeyn, und die aͤlteſte iſt „blos das vorangezeigte Woͤrterbuch der Na- „tur!„ Jch reiße einige Steigerungen ab. 1) Deklinationen und Conjugationen ſind nichts anders, als Verkuͤrzungen und Beſtimmun- gen des Gebrauchs der Nominum und Verborum nach Zahl, Zeit und Art, und Perſon? Je roher alſo eine J

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/135
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/135>, abgerufen am 04.05.2024.