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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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kühne Phantasie, dies Nationalgefühl fremder
Zeiten zu geben, und es nach den unsrigen zu mo-
dernisiren! Aber eben damit wurde auch "nicht
"blos in die Geschichte, Denkart und Litte-
"ratur des Landes,
sondern überhaupt in die
"dunkle Gegend der menschlichen Seele eine
"Fackel getragen, wo sich die Begriffe durch-
"kreutzen
und verwickeln! Wo die verschie-
"denste Gefühle
einander erzeugen; wo eine
"dringende Gelegenheit alle Kräfte der Seele
"aufbietet
und die ganze Erfindungskunst,
"der sie fähig ist, zeiget."
Jeder Schritt wäre
in einem solchen Werk Entdeckung! und jene neue
Bemerkung der vollständigste Beweis von der
Menschlichkeit des Ursprungs der Sprache.

Schultens hat sich an der Entwiklung eini-
ger solchen Originum der hebräischen Sprache
Ruhm erworben: jede Entwiklung ist eine Probe
meiner Regel: ich glaube aber vieler Ursachen we-
gen, nicht, daß die Origines der ersten menschlichen
Sprache, wenn es auch die hebräische wäre, je
vollständig
entwickelt werden können -- --

Jch

kuͤhne Phantaſie, dies Nationalgefuͤhl fremder
Zeiten zu geben, und es nach den unſrigen zu mo-
derniſiren! Aber eben damit wurde auch „nicht
„blos in die Geſchichte, Denkart und Litte-
„ratur des Landes,
ſondern uͤberhaupt in die
dunkle Gegend der menſchlichen Seele eine
„Fackel getragen, wo ſich die Begriffe durch-
„kreutzen
und verwickeln! Wo die verſchie-
„denſte Gefuͤhle
einander erzeugen; wo eine
dringende Gelegenheit alle Kraͤfte der Seele
„aufbietet
und die ganze Erfindungskunſt,
„der ſie faͤhig iſt, zeiget.„
Jeder Schritt waͤre
in einem ſolchen Werk Entdeckung! und jene neue
Bemerkung der vollſtaͤndigſte Beweis von der
Menſchlichkeit des Urſprungs der Sprache.

Schultens hat ſich an der Entwiklung eini-
ger ſolchen Originum der hebraͤiſchen Sprache
Ruhm erworben: jede Entwiklung iſt eine Probe
meiner Regel: ich glaube aber vieler Urſachen we-
gen, nicht, daß die Origines der erſten menſchlichen
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Jch
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[114/0120] kuͤhne Phantaſie, dies Nationalgefuͤhl fremder Zeiten zu geben, und es nach den unſrigen zu mo- derniſiren! Aber eben damit wurde auch „nicht „blos in die Geſchichte, Denkart und Litte- „ratur des Landes, ſondern uͤberhaupt in die „dunkle Gegend der menſchlichen Seele eine „Fackel getragen, wo ſich die Begriffe durch- „kreutzen und verwickeln! Wo die verſchie- „denſte Gefuͤhle einander erzeugen; wo eine „dringende Gelegenheit alle Kraͤfte der Seele „aufbietet und die ganze Erfindungskunſt, „der ſie faͤhig iſt, zeiget.„ Jeder Schritt waͤre in einem ſolchen Werk Entdeckung! und jene neue Bemerkung der vollſtaͤndigſte Beweis von der Menſchlichkeit des Urſprungs der Sprache. Schultens hat ſich an der Entwiklung eini- ger ſolchen Originum der hebraͤiſchen Sprache Ruhm erworben: jede Entwiklung iſt eine Probe meiner Regel: ich glaube aber vieler Urſachen we- gen, nicht, daß die Origines der erſten menſchlichen Sprache, wenn es auch die hebraͤiſche waͤre, je vollſtaͤndig entwickelt werden koͤnnen — — Jch

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/120>, abgerufen am 04.05.2024.