specifischen Schwere konnte wohl ein anderer mit den übrigen Eigenschaften des Goldes verbunden seyn; auch bieten sich andre Grade von Dehnbarkeit, Schmelzbar- keit, u. s. w. dar, ausser den bestimmten, welche nun eben in der Erfahrungskenntniss des Goldes sich zeigen. Indem die ganzen qualitativen Continuen, oder doch grössere Strecken derselben, -- vor Augen liegen: erblickt man das wirkliche Ding in der Mitte anderer Möglich- keiten; und hiemit fängt die Erfahrung an, ihren Cha- rakter der Zufälligkeit zu enthüllen.
Nach diesen Vorerinnerungen mag uns ein Denker, dem in neuerer Zeit nicht immer die gebührende Ehre widerfahren ist, nämlich Locke, näher zu unserm Ge- genstande hinführen.
Als ein Zeichen von ächtem speculativen Geiste muss es Locken angerechnet werden, dass er so sehr auf- merksam ist auf die ganz zufällige Aggregation, in wel- cher die beysammen gefundenen Merkmale eines und des- selben sinnlichen Dinges sich uns darbieten. Sehr ausführ- lich, nach gewohnter Weise, und sich oft wiederhohlend, prägt er uns ein, dass zwischen den Merkmalen des Goldes, den Begriffen vom gelben, vom schweren, vom schmelzba- ren, dehnbaren, feuerbeständigen, in Königswasser auflös- baren Körper, sich nimmermehr eine nothwendige Ver- knüpfung, noch eine Unverträglichkeit zwischen einigen von diesen, und irgend welchen entgegengesetzten der andern, auffinden lasse; dass auch alle Physik und Che- mie dergleichen Aggregate von Merkmalen nur immer anwachsen mache, ohne uns jemals der Einheit, in der sie zusammenhängen sollen, näher zu bringen. Unter andern sagt er (Book IV, Chap. VI. §. 7.): The com- plex ideas, that our names of the species of substances properly stand for, are collections of such qualities as have been observed to coexist in an unknown substratum, which we call substance. Diese Stelle ist nur darin feh- lerhaft, dass sie nicht bloss die Verknüpfung der Merk- male, sondern mit einem näher bestimmenden Zusatze
specifischen Schwere konnte wohl ein anderer mit den übrigen Eigenschaften des Goldes verbunden seyn; auch bieten sich andre Grade von Dehnbarkeit, Schmelzbar- keit, u. s. w. dar, auſser den bestimmten, welche nun eben in der Erfahrungskenntniſs des Goldes sich zeigen. Indem die ganzen qualitativen Continuen, oder doch gröſsere Strecken derselben, — vor Augen liegen: erblickt man das wirkliche Ding in der Mitte anderer Möglich- keiten; und hiemit fängt die Erfahrung an, ihren Cha- rakter der Zufälligkeit zu enthüllen.
Nach diesen Vorerinnerungen mag uns ein Denker, dem in neuerer Zeit nicht immer die gebührende Ehre widerfahren ist, nämlich Locke, näher zu unserm Ge- genstande hinführen.
Als ein Zeichen von ächtem speculativen Geiste muſs es Locken angerechnet werden, daſs er so sehr auf- merksam ist auf die ganz zufällige Aggregation, in wel- cher die beysammen gefundenen Merkmale eines und des- selben sinnlichen Dinges sich uns darbieten. Sehr ausführ- lich, nach gewohnter Weise, und sich oft wiederhohlend, prägt er uns ein, daſs zwischen den Merkmalen des Goldes, den Begriffen vom gelben, vom schweren, vom schmelzba- ren, dehnbaren, feuerbeständigen, in Königswasser auflös- baren Körper, sich nimmermehr eine nothwendige Ver- knüpfung, noch eine Unverträglichkeit zwischen einigen von diesen, und irgend welchen entgegengesetzten der andern, auffinden lasse; daſs auch alle Physik und Che- mie dergleichen Aggregate von Merkmalen nur immer anwachsen mache, ohne uns jemals der Einheit, in der sie zusammenhängen sollen, näher zu bringen. Unter andern sagt er (Book IV, Chap. VI. §. 7.): The com- plex ideas, that our names of the ſpecies of ſubſtances properly ſtand for, are collections of ſuch qualities as have been obſerved to coexiſt in an unknown ſubſtratum, which we call ſubſtance. Diese Stelle ist nur darin feh- lerhaft, daſs sie nicht bloſs die Verknüpfung der Merk- male, sondern mit einem näher bestimmenden Zusatze
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specifischen Schwere konnte wohl ein anderer mit den
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eben in der Erfahrungskenntniſs des Goldes sich zeigen.
Indem die ganzen qualitativen Continuen, oder doch
gröſsere Strecken derselben, — vor Augen liegen: erblickt
man das wirkliche Ding in der Mitte anderer Möglich-
keiten; und hiemit fängt die Erfahrung an, ihren Cha-
rakter der Zufälligkeit zu enthüllen.
Nach diesen Vorerinnerungen mag uns ein Denker,
dem in neuerer Zeit nicht immer die gebührende Ehre
widerfahren ist, nämlich Locke, näher zu unserm Ge-
genstande hinführen.
Als ein Zeichen von ächtem speculativen Geiste muſs
es Locken angerechnet werden, daſs er so sehr auf-
merksam ist auf die ganz zufällige Aggregation, in wel-
cher die beysammen gefundenen Merkmale eines und des-
selben sinnlichen Dinges sich uns darbieten. Sehr ausführ-
lich, nach gewohnter Weise, und sich oft wiederhohlend,
prägt er uns ein, daſs zwischen den Merkmalen des Goldes,
den Begriffen vom gelben, vom schweren, vom schmelzba-
ren, dehnbaren, feuerbeständigen, in Königswasser auflös-
baren Körper, sich nimmermehr eine nothwendige Ver-
knüpfung, noch eine Unverträglichkeit zwischen einigen
von diesen, und irgend welchen entgegengesetzten der
andern, auffinden lasse; daſs auch alle Physik und Che-
mie dergleichen Aggregate von Merkmalen nur immer
anwachsen mache, ohne uns jemals der Einheit, in der
sie zusammenhängen sollen, näher zu bringen. Unter
andern sagt er (Book IV, Chap. VI. §. 7.): The com-
plex ideas, that our names of the ſpecies of ſubſtances
properly ſtand for, are collections of ſuch qualities as
have been obſerved to coexiſt in an unknown ſubſtratum,
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male, sondern mit einem näher bestimmenden Zusatze
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/335>, abgerufen am 25.11.2024.
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