Thun ist zugleich ein Geschehen. Das Thun, durch- drungen vom Wissen, ergiebt das Wollen; das Gesche- hen, durchdrungen vom Wissen, ergiebt das Verneh- men und Fühlen dessen, was gethan worden. Das Ich ist vorstellend im Handeln; und vorstellend nochmals, indem es für sich gehandelt hat. Es weiss, was es zu thun im Begriff ist, und weiss auch, was es that.
5) Man bemerke nun, dass hieraus durch eine Ab- straction der reine Begriff des Ich in aller Strenge sehr leicht zu erhalten ist. Es braucht nur das äussere Handeln weggelassen zu werden. Alsdann bleibt statt der nach aussen gehenden Thätigkeit ein blosses Wissen, das nun keinen Gegenstand mehr hat; und statt des Vor- nehmens und Auffassens der äussern Thätigkeit ein Ver- nehmen jenes Wissens; welches letztere sich demnach in ein Gewusstes verwandelt. Solchergestalt bekommen wir den Begriff vom Wissen des Wissens, welches, da es ohne irgend einen Unterschied in Einem Puncte lie- gen soll, identisch gesetzt wird, bloss behaftet mit dem Gegensatze des Objects und Subjects, oder des Wissens und Gewusst-Werdens.
Also haben wir den Stoff gefunden, aus welchem sich die Schule ihr Abstractum bereitet. Hier sind wir angelangt auf Fichte's Gebiet.
6) Aber die Schule würde die Abstraction, die sie selbst gebildet, leicht erkennen, wenn nur ein willkührli- ches Denken darin läge. Nicht das Ich, sondern das handelnde, nach aussen hin wirkende Ich wäre dann das Gegebene; von dem blossen Ich aber würde man spre- chen wie von dem Allgemein-Begriff der Farbe oder des Tons, der nichts zu sehen noch zu hören darbietet.
Wir haben im §. 29. gefunden, dass die mannigfal- tigen Vorstellungen, welche dem Ich zur objectiven Grundlage dienen, sich unter einander aufheben müssen, wenn die Ichheit möglich seyn soll. Dem gemäss muss so gewiss, als das Ich sich wollend und handelnd findet, auch das Gegentheil eintreten. Und dieser Forderung
Thun ist zugleich ein Geschehen. Das Thun, durch- drungen vom Wissen, ergiebt das Wollen; das Gesche- hen, durchdrungen vom Wissen, ergiebt das Verneh- men und Fühlen dessen, was gethan worden. Das Ich ist vorstellend im Handeln; und vorstellend nochmals, indem es für sich gehandelt hat. Es weiſs, was es zu thun im Begriff ist, und weiſs auch, was es that.
5) Man bemerke nun, daſs hieraus durch eine Ab- straction der reine Begriff des Ich in aller Strenge sehr leicht zu erhalten ist. Es braucht nur das äuſsere Handeln weggelassen zu werden. Alsdann bleibt statt der nach auſsen gehenden Thätigkeit ein bloſses Wissen, das nun keinen Gegenstand mehr hat; und statt des Vor- nehmens und Auffassens der äuſsern Thätigkeit ein Ver- nehmen jenes Wissens; welches letztere sich demnach in ein Gewuſstes verwandelt. Solchergestalt bekommen wir den Begriff vom Wissen des Wissens, welches, da es ohne irgend einen Unterschied in Einem Puncte lie- gen soll, identisch gesetzt wird, bloſs behaftet mit dem Gegensatze des Objects und Subjects, oder des Wissens und Gewuſst-Werdens.
Also haben wir den Stoff gefunden, aus welchem sich die Schule ihr Abstractum bereitet. Hier sind wir angelangt auf Fichte’s Gebiet.
6) Aber die Schule würde die Abstraction, die sie selbst gebildet, leicht erkennen, wenn nur ein willkührli- ches Denken darin läge. Nicht das Ich, sondern das handelnde, nach auſsen hin wirkende Ich wäre dann das Gegebene; von dem bloſsen Ich aber würde man spre- chen wie von dem Allgemein-Begriff der Farbe oder des Tons, der nichts zu sehen noch zu hören darbietet.
Wir haben im §. 29. gefunden, daſs die mannigfal- tigen Vorstellungen, welche dem Ich zur objectiven Grundlage dienen, sich unter einander aufheben müssen, wenn die Ichheit möglich seyn soll. Dem gemäſs muſs so gewiſs, als das Ich sich wollend und handelnd findet, auch das Gegentheil eintreten. Und dieser Forderung
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Thun ist zugleich ein Geschehen. Das Thun, durch-
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ist vorstellend im Handeln; und vorstellend nochmals,
indem es für sich gehandelt hat. Es weiſs, was es zu
thun im Begriff ist, und weiſs auch, was es that.
5) Man bemerke nun, daſs hieraus durch eine Ab-
straction der reine Begriff des Ich in aller Strenge
sehr leicht zu erhalten ist. Es braucht nur das äuſsere
Handeln weggelassen zu werden. Alsdann bleibt statt
der nach auſsen gehenden Thätigkeit ein bloſses Wissen,
das nun keinen Gegenstand mehr hat; und statt des Vor-
nehmens und Auffassens der äuſsern Thätigkeit ein Ver-
nehmen jenes Wissens; welches letztere sich demnach
in ein Gewuſstes verwandelt. Solchergestalt bekommen
wir den Begriff vom Wissen des Wissens, welches, da
es ohne irgend einen Unterschied in Einem Puncte lie-
gen soll, identisch gesetzt wird, bloſs behaftet mit dem
Gegensatze des Objects und Subjects, oder des Wissens
und Gewuſst-Werdens.
Also haben wir den Stoff gefunden, aus welchem
sich die Schule ihr Abstractum bereitet. Hier sind wir
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6) Aber die Schule würde die Abstraction, die sie
selbst gebildet, leicht erkennen, wenn nur ein willkührli-
ches Denken darin läge. Nicht das Ich, sondern das
handelnde, nach auſsen hin wirkende Ich wäre dann das
Gegebene; von dem bloſsen Ich aber würde man spre-
chen wie von dem Allgemein-Begriff der Farbe oder des
Tons, der nichts zu sehen noch zu hören darbietet.
Wir haben im §. 29. gefunden, daſs die mannigfal-
tigen Vorstellungen, welche dem Ich zur objectiven
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wenn die Ichheit möglich seyn soll. Dem gemäſs muſs
so gewiſs, als das Ich sich wollend und handelnd findet,
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/316>, abgerufen am 24.11.2024.
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