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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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wird, wie die Erfahrung lehrt, auf mehr als eine Weise
Genüge geleistet.

Jene vorwärts gehende Richtung, um derentwillen
das Ich als ein Trieb gedacht wird, ist im Allgemeinen
die vom Subject zum Object, nach §. 131. Das Bevor-
stehen der Empfindungen muss eben so, wie vorhin die
äussere Thätigkeit, als begleitet vom Wissen auf dop-
pelte Weise gedacht werden. Wissend geht das Ich
der Empfindung entgegen; und abermals wissend empfängt
es sie sammt dem ihr anhängenden Wissen. So ge-
schieht es, dass das Ich Sich empfindet.

Dies wird deutlicher in besonderen Fällen. Genie-
ssend giebt das Ich sich hin der Lust; leidend giebt es
sich hin dem Schmerze. Mit der Lust und dem Schmerze
empfängt es sich selbst wieder. Diese Hingebung liegt
schon in der blossen Neugier, oder dem Beobachten
dessen, was da wird gegeben werden. In allen Fällen
ist die Hingebung das Gegentheil des Wirkens und
Handelus.

Auch hievon kann die vorerwähnte Abstraction ge-
macht werden; nur ist sie nicht so leicht wie dort, wo
das Ich als äussere Causalität erscheint, die man ohne
Mühe sowohl von demjenigen Wissen unterscheidet, das
in der Absicht des Handelns liegt, als von dem andern
Wissen, das in dem Auffassen des Erfolgs der Hand-
lung enthalten ist.

Dies ist die Seite des Ich, in welche sich Fichte
nicht finden konnte. Sein Ich war frey; die Aussenwelt
war nur ein scheinbares Widerstreben, eine Reizung für
die Freyheit, dass sie sich zeige um zu siegen. Daneben
konnte eine wahre Naturlehre nicht bestehen. Schel-
ling
hatte hier Recht zu widersprechen.

Die Hingebung kennen wir vorzugsweise in der
Liebe; und in der Frömmigkeit. Kein Wunder, wenn
die Mystiker, ihrerseits übertreibend, das wahre Ich nur
im Ertödten des Wollens und im Aufgeben des eignen,
selbstständigen Daseyns zu finden glauben.

wird, wie die Erfahrung lehrt, auf mehr als eine Weise
Genüge geleistet.

Jene vorwärts gehende Richtung, um derentwillen
das Ich als ein Trieb gedacht wird, ist im Allgemeinen
die vom Subject zum Object, nach §. 131. Das Bevor-
stehen der Empfindungen muſs eben so, wie vorhin die
äuſsere Thätigkeit, als begleitet vom Wissen auf dop-
pelte Weise gedacht werden. Wissend geht das Ich
der Empfindung entgegen; und abermals wissend empfängt
es sie sammt dem ihr anhängenden Wissen. So ge-
schieht es, daſs das Ich Sich empfindet.

Dies wird deutlicher in besonderen Fällen. Genie-
ſsend giebt das Ich sich hin der Lust; leidend giebt es
sich hin dem Schmerze. Mit der Lust und dem Schmerze
empfängt es sich selbst wieder. Diese Hingebung liegt
schon in der bloſsen Neugier, oder dem Beobachten
dessen, was da wird gegeben werden. In allen Fällen
ist die Hingebung das Gegentheil des Wirkens und
Handelus.

Auch hievon kann die vorerwähnte Abstraction ge-
macht werden; nur ist sie nicht so leicht wie dort, wo
das Ich als äuſsere Causalität erscheint, die man ohne
Mühe sowohl von demjenigen Wissen unterscheidet, das
in der Absicht des Handelns liegt, als von dem andern
Wissen, das in dem Auffassen des Erfolgs der Hand-
lung enthalten ist.

Dies ist die Seite des Ich, in welche sich Fichte
nicht finden konnte. Sein Ich war frey; die Auſsenwelt
war nur ein scheinbares Widerstreben, eine Reizung für
die Freyheit, daſs sie sich zeige um zu siegen. Daneben
konnte eine wahre Naturlehre nicht bestehen. Schel-
ling
hatte hier Recht zu widersprechen.

Die Hingebung kennen wir vorzugsweise in der
Liebe; und in der Frömmigkeit. Kein Wunder, wenn
die Mystiker, ihrerseits übertreibend, das wahre Ich nur
im Ertödten des Wollens und im Aufgeben des eignen,
selbstständigen Daseyns zu finden glauben.

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[282/0317] wird, wie die Erfahrung lehrt, auf mehr als eine Weise Genüge geleistet. Jene vorwärts gehende Richtung, um derentwillen das Ich als ein Trieb gedacht wird, ist im Allgemeinen die vom Subject zum Object, nach §. 131. Das Bevor- stehen der Empfindungen muſs eben so, wie vorhin die äuſsere Thätigkeit, als begleitet vom Wissen auf dop- pelte Weise gedacht werden. Wissend geht das Ich der Empfindung entgegen; und abermals wissend empfängt es sie sammt dem ihr anhängenden Wissen. So ge- schieht es, daſs das Ich Sich empfindet. Dies wird deutlicher in besonderen Fällen. Genie- ſsend giebt das Ich sich hin der Lust; leidend giebt es sich hin dem Schmerze. Mit der Lust und dem Schmerze empfängt es sich selbst wieder. Diese Hingebung liegt schon in der bloſsen Neugier, oder dem Beobachten dessen, was da wird gegeben werden. In allen Fällen ist die Hingebung das Gegentheil des Wirkens und Handelus. Auch hievon kann die vorerwähnte Abstraction ge- macht werden; nur ist sie nicht so leicht wie dort, wo das Ich als äuſsere Causalität erscheint, die man ohne Mühe sowohl von demjenigen Wissen unterscheidet, das in der Absicht des Handelns liegt, als von dem andern Wissen, das in dem Auffassen des Erfolgs der Hand- lung enthalten ist. Dies ist die Seite des Ich, in welche sich Fichte nicht finden konnte. Sein Ich war frey; die Auſsenwelt war nur ein scheinbares Widerstreben, eine Reizung für die Freyheit, daſs sie sich zeige um zu siegen. Daneben konnte eine wahre Naturlehre nicht bestehen. Schel- ling hatte hier Recht zu widersprechen. Die Hingebung kennen wir vorzugsweise in der Liebe; und in der Frömmigkeit. Kein Wunder, wenn die Mystiker, ihrerseits übertreibend, das wahre Ich nur im Ertödten des Wollens und im Aufgeben des eignen, selbstständigen Daseyns zu finden glauben.

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/317>, abgerufen am 24.11.2024.