Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

die Zahlen sieben, dreyzehn, und andre Primzahlen,
gelten für unglücklich; so sehr, dass der dreyzehnte
Mensch, als überflüssig neben der so leicht anzuordnen-
den Zahl zwölf, sterben muss, wenn er das harmonische
Dutzend gestört und gleichsam auseinander gedrängt hat. --
Solche mystische Thorheit ist zu allgemein, um nicht aus
einem psychologischen Grunde zu entspringen. -- Die
grossen Zahlen sind bekanntlich für uns blosse Namen,
denen wir ohne das künstliche Hülfsmittel der Potenzen
und Producte gar keine Bedeutung würden geben kön-
nen. Doch klebt ihnen das Gefühl der Schwierigkeit an,
die in ihnen liegenden Reihen ganz zu durchlaufen.

Drittens: Die Vorstellung des Verhältnisses erfordert,
dass zwey Puncte einer Reihenform gegen einander ge-
halten werden, um den Uebergang von einem zum an-
dern zu bestimmen. Dies kann so vielfältig geschehen,
als Reihenformen sind gebildet, und die Arten des Ue-
berganges bestimmt worden. Wollten wir, im gegen-
wärtigen Zusammenhange, Ort und Lage auslassen: so
würde gerade dasjenige mangeln, was sich zuerst und
von selbst darbietet, denn die bekannteste aller Reihen-
formen ist der Raum; die übrigen Reihenformen sind alle
nur Analogien desselben, und minder ausgeführte Pro-
ductionen. Auch das arithmetische und geometrische
Verhältniss im Zahlen-Gebiete kann als analog jenen
räumlichen Verhältnissen angesehen werden; es wird nicht
nöthig seyn, so leichte Sachen zu erläutern. Schwerer
ohne Zweifel scheint das Verhältniss der Aehnlichkeit,
oder das noch einfachere zwischen Bild und Original,
wovon jenes die nähere Bestimmung ist, denn Aehnliche
verhalten sich gegenseitig wie Abbild und Urbild. Hier
muss man, wie bey der Zahl, bemerken, dass die Vor-
stellungen zweyer durchaus Aehnlichen in der Einheit der
Seele völlig zusammenfallen würden, wenn nicht irgend
eine Nebenvorstellung sich dazwischen schöbe. (Man
wird dabey an Leibnitzens unrichtiges, doch nicht ganz
ohne psychologischen Grund behauptetes, principium in-

die Zahlen sieben, dreyzehn, und andre Primzahlen,
gelten für unglücklich; so sehr, daſs der dreyzehnte
Mensch, als überflüssig neben der so leicht anzuordnen-
den Zahl zwölf, sterben muſs, wenn er das harmonische
Dutzend gestört und gleichsam auseinander gedrängt hat. —
Solche mystische Thorheit ist zu allgemein, um nicht aus
einem psychologischen Grunde zu entspringen. — Die
groſsen Zahlen sind bekanntlich für uns bloſse Namen,
denen wir ohne das künstliche Hülfsmittel der Potenzen
und Producte gar keine Bedeutung würden geben kön-
nen. Doch klebt ihnen das Gefühl der Schwierigkeit an,
die in ihnen liegenden Reihen ganz zu durchlaufen.

Drittens: Die Vorstellung des Verhältnisses erfordert,
daſs zwey Puncte einer Reihenform gegen einander ge-
halten werden, um den Uebergang von einem zum an-
dern zu bestimmen. Dies kann so vielfältig geschehen,
als Reihenformen sind gebildet, und die Arten des Ue-
berganges bestimmt worden. Wollten wir, im gegen-
wärtigen Zusammenhange, Ort und Lage auslassen: so
würde gerade dasjenige mangeln, was sich zuerst und
von selbst darbietet, denn die bekannteste aller Reihen-
formen ist der Raum; die übrigen Reihenformen sind alle
nur Analogien desselben, und minder ausgeführte Pro-
ductionen. Auch das arithmetische und geometrische
Verhältniſs im Zahlen-Gebiete kann als analog jenen
räumlichen Verhältnissen angesehen werden; es wird nicht
nöthig seyn, so leichte Sachen zu erläutern. Schwerer
ohne Zweifel scheint das Verhältniſs der Aehnlichkeit,
oder das noch einfachere zwischen Bild und Original,
wovon jenes die nähere Bestimmung ist, denn Aehnliche
verhalten sich gegenseitig wie Abbild und Urbild. Hier
muſs man, wie bey der Zahl, bemerken, daſs die Vor-
stellungen zweyer durchaus Aehnlichen in der Einheit der
Seele völlig zusammenfallen würden, wenn nicht irgend
eine Nebenvorstellung sich dazwischen schöbe. (Man
wird dabey an Leibnitzens unrichtiges, doch nicht ganz
ohne psychologischen Grund behauptetes, principium in-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0237" n="202"/>
die Zahlen <hi rendition="#g">sieben, dreyzehn</hi>, und andre Primzahlen,<lb/>
gelten für unglücklich; so sehr, da&#x017F;s der dreyzehnte<lb/>
Mensch, als überflüssig neben der so leicht anzuordnen-<lb/>
den Zahl zwölf, sterben mu&#x017F;s, wenn er das harmonische<lb/>
Dutzend gestört und gleichsam auseinander gedrängt hat. &#x2014;<lb/>
Solche mystische Thorheit ist zu allgemein, um nicht aus<lb/>
einem psychologischen Grunde zu entspringen. &#x2014; Die<lb/>
gro&#x017F;sen Zahlen sind bekanntlich für uns blo&#x017F;se Namen,<lb/>
denen wir ohne das künstliche Hülfsmittel der Potenzen<lb/>
und Producte gar keine Bedeutung würden geben kön-<lb/>
nen. Doch klebt ihnen das Gefühl der Schwierigkeit an,<lb/>
die in ihnen liegenden Reihen ganz zu durchlaufen.</p><lb/>
              <p>Drittens: Die Vorstellung des Verhältnisses erfordert,<lb/>
da&#x017F;s zwey Puncte einer Reihenform gegen einander ge-<lb/>
halten werden, um den Uebergang von einem zum an-<lb/>
dern zu bestimmen. Dies kann so vielfältig geschehen,<lb/>
als Reihenformen sind gebildet, und die Arten des Ue-<lb/>
berganges bestimmt worden. Wollten wir, im gegen-<lb/>
wärtigen Zusammenhange, Ort und Lage auslassen: so<lb/>
würde gerade dasjenige mangeln, was sich zuerst und<lb/>
von selbst darbietet, denn die bekannteste aller Reihen-<lb/>
formen ist der Raum; die übrigen Reihenformen sind alle<lb/>
nur Analogien desselben, und minder ausgeführte Pro-<lb/>
ductionen. Auch das arithmetische und geometrische<lb/>
Verhältni&#x017F;s im Zahlen-Gebiete kann als analog jenen<lb/>
räumlichen Verhältnissen angesehen werden; es wird nicht<lb/>
nöthig seyn, so leichte Sachen zu erläutern. Schwerer<lb/>
ohne Zweifel scheint das Verhältni&#x017F;s der Aehnlichkeit,<lb/>
oder das noch einfachere zwischen Bild und Original,<lb/>
wovon jenes die nähere Bestimmung ist, denn Aehnliche<lb/>
verhalten sich gegenseitig wie Abbild und Urbild. Hier<lb/>
mu&#x017F;s man, wie bey der Zahl, bemerken, da&#x017F;s die Vor-<lb/>
stellungen zweyer durchaus Aehnlichen in der Einheit der<lb/>
Seele völlig zusammenfallen würden, wenn nicht irgend<lb/>
eine Nebenvorstellung sich dazwischen schöbe. (Man<lb/>
wird dabey an <hi rendition="#g">Leibnitze</hi>ns unrichtiges, doch nicht ganz<lb/>
ohne psychologischen Grund behauptetes, <hi rendition="#i">principium in-<lb/></hi></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0237] die Zahlen sieben, dreyzehn, und andre Primzahlen, gelten für unglücklich; so sehr, daſs der dreyzehnte Mensch, als überflüssig neben der so leicht anzuordnen- den Zahl zwölf, sterben muſs, wenn er das harmonische Dutzend gestört und gleichsam auseinander gedrängt hat. — Solche mystische Thorheit ist zu allgemein, um nicht aus einem psychologischen Grunde zu entspringen. — Die groſsen Zahlen sind bekanntlich für uns bloſse Namen, denen wir ohne das künstliche Hülfsmittel der Potenzen und Producte gar keine Bedeutung würden geben kön- nen. Doch klebt ihnen das Gefühl der Schwierigkeit an, die in ihnen liegenden Reihen ganz zu durchlaufen. Drittens: Die Vorstellung des Verhältnisses erfordert, daſs zwey Puncte einer Reihenform gegen einander ge- halten werden, um den Uebergang von einem zum an- dern zu bestimmen. Dies kann so vielfältig geschehen, als Reihenformen sind gebildet, und die Arten des Ue- berganges bestimmt worden. Wollten wir, im gegen- wärtigen Zusammenhange, Ort und Lage auslassen: so würde gerade dasjenige mangeln, was sich zuerst und von selbst darbietet, denn die bekannteste aller Reihen- formen ist der Raum; die übrigen Reihenformen sind alle nur Analogien desselben, und minder ausgeführte Pro- ductionen. Auch das arithmetische und geometrische Verhältniſs im Zahlen-Gebiete kann als analog jenen räumlichen Verhältnissen angesehen werden; es wird nicht nöthig seyn, so leichte Sachen zu erläutern. Schwerer ohne Zweifel scheint das Verhältniſs der Aehnlichkeit, oder das noch einfachere zwischen Bild und Original, wovon jenes die nähere Bestimmung ist, denn Aehnliche verhalten sich gegenseitig wie Abbild und Urbild. Hier muſs man, wie bey der Zahl, bemerken, daſs die Vor- stellungen zweyer durchaus Aehnlichen in der Einheit der Seele völlig zusammenfallen würden, wenn nicht irgend eine Nebenvorstellung sich dazwischen schöbe. (Man wird dabey an Leibnitzens unrichtiges, doch nicht ganz ohne psychologischen Grund behauptetes, principium in-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/237
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/237>, abgerufen am 06.05.2024.