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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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griffe des Dinges selbst, dieses die äussern, in der Zu-
sammenstellung desselben mit andern, bezeichnet. Fer-
ner sind hier nicht vier Titel zu Kategorien, sondern
vier Haupt- oder eigentliche Kategorien aufgestellt,
deren Untergeordnetes unter einander keine Symmetrie
bildet, noch irgend erwarten lässt; eben darum, weil die
Haupt-Kategorien unter einander völlig verschieden sind.
Alle Symmetrie würde in meinen Augen unter solchen
Umständen nur Verdacht erregen.

Wie entstehn nun die Kategorien?

Erstlich: wie entsteht die Vorstellung des Dinges? --
Soll die Frage sich auf die Zusammenfassung der Merk-
male des einzelnen Dinges beziehen: so liegt der Grund
in der Complication der Partial-Vorstellungen wegen der
Einheit der Seele; so dass der Actus des Vorstellens nur
Einer ist, so weit die Verbindung reicht. Soll aber der
Ursprung der Vorstellung vom Dinge überhaupt ange-
geben werden: so muss man zurückgehn zum Gesammt-
Eindrucke, der aus den Reproductionen unzähliger, zum
Theil ähnlicher Dinge sich allmählig zusammen zu setzen
nicht umhin konnte. Dieser Gesammt-Eindruck über-
trägt sich auf unvollkommne, neue Wahrnehmungen am
leichtesten. Ein verschlossener Kasten erregt die unbe-
stimmte Vorstellung dessen, was darin seyn möge; ein
von fern gesehener Gegenstand lässt errathen, was man
bey der Annäherung finden werde; eine Reise verspricht
viel Neues, man weiss noch nicht was; aber die aufge-
regten dunkeln Bilder sind ganz unstreitig nichts anderes
als Zusammensetzungen aus altem Stoffe. Vermuthun-
gen, was doch das Unbekannte seyn möge, haben oft
getäuscht; die Besorgniss neuer Täuschung schlägt nun
die bestimmteren Züge, welche man dem Unbekannten zu
leihen geneigt ist, vollends nieder; nnd nach der Ver-
neinung aller besondern Bestimmungen soll bloss ein
Vorstellen, dessen Vorgestelltes sich ausgelöscht hat,
übrig bleiben. Diese Zumuthung wird niemals völlig er-
füllt; aber die Vorstellung gilt nun für die ganz allge-

griffe des Dinges selbst, dieses die äuſsern, in der Zu-
sammenstellung desselben mit andern, bezeichnet. Fer-
ner sind hier nicht vier Titel zu Kategorien, sondern
vier Haupt- oder eigentliche Kategorien aufgestellt,
deren Untergeordnetes unter einander keine Symmetrie
bildet, noch irgend erwarten läſst; eben darum, weil die
Haupt-Kategorien unter einander völlig verschieden sind.
Alle Symmetrie würde in meinen Augen unter solchen
Umständen nur Verdacht erregen.

Wie entstehn nun die Kategorien?

Erstlich: wie entsteht die Vorstellung des Dinges? —
Soll die Frage sich auf die Zusammenfassung der Merk-
male des einzelnen Dinges beziehen: so liegt der Grund
in der Complication der Partial-Vorstellungen wegen der
Einheit der Seele; so daſs der Actus des Vorstellens nur
Einer ist, so weit die Verbindung reicht. Soll aber der
Ursprung der Vorstellung vom Dinge überhaupt ange-
geben werden: so muſs man zurückgehn zum Gesammt-
Eindrucke, der aus den Reproductionen unzähliger, zum
Theil ähnlicher Dinge sich allmählig zusammen zu setzen
nicht umhin konnte. Dieser Gesammt-Eindruck über-
trägt sich auf unvollkommne, neue Wahrnehmungen am
leichtesten. Ein verschlossener Kasten erregt die unbe-
stimmte Vorstellung dessen, was darin seyn möge; ein
von fern gesehener Gegenstand läſst errathen, was man
bey der Annäherung finden werde; eine Reise verspricht
viel Neues, man weiſs noch nicht was; aber die aufge-
regten dunkeln Bilder sind ganz unstreitig nichts anderes
als Zusammensetzungen aus altem Stoffe. Vermuthun-
gen, was doch das Unbekannte seyn möge, haben oft
getäuscht; die Besorgniſs neuer Täuschung schlägt nun
die bestimmteren Züge, welche man dem Unbekannten zu
leihen geneigt ist, vollends nieder; nnd nach der Ver-
neinung aller besondern Bestimmungen soll bloſs ein
Vorstellen, dessen Vorgestelltes sich ausgelöscht hat,
übrig bleiben. Diese Zumuthung wird niemals völlig er-
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[198/0233] griffe des Dinges selbst, dieses die äuſsern, in der Zu- sammenstellung desselben mit andern, bezeichnet. Fer- ner sind hier nicht vier Titel zu Kategorien, sondern vier Haupt- oder eigentliche Kategorien aufgestellt, deren Untergeordnetes unter einander keine Symmetrie bildet, noch irgend erwarten läſst; eben darum, weil die Haupt-Kategorien unter einander völlig verschieden sind. Alle Symmetrie würde in meinen Augen unter solchen Umständen nur Verdacht erregen. Wie entstehn nun die Kategorien? Erstlich: wie entsteht die Vorstellung des Dinges? — Soll die Frage sich auf die Zusammenfassung der Merk- male des einzelnen Dinges beziehen: so liegt der Grund in der Complication der Partial-Vorstellungen wegen der Einheit der Seele; so daſs der Actus des Vorstellens nur Einer ist, so weit die Verbindung reicht. Soll aber der Ursprung der Vorstellung vom Dinge überhaupt ange- geben werden: so muſs man zurückgehn zum Gesammt- Eindrucke, der aus den Reproductionen unzähliger, zum Theil ähnlicher Dinge sich allmählig zusammen zu setzen nicht umhin konnte. Dieser Gesammt-Eindruck über- trägt sich auf unvollkommne, neue Wahrnehmungen am leichtesten. Ein verschlossener Kasten erregt die unbe- stimmte Vorstellung dessen, was darin seyn möge; ein von fern gesehener Gegenstand läſst errathen, was man bey der Annäherung finden werde; eine Reise verspricht viel Neues, man weiſs noch nicht was; aber die aufge- regten dunkeln Bilder sind ganz unstreitig nichts anderes als Zusammensetzungen aus altem Stoffe. Vermuthun- gen, was doch das Unbekannte seyn möge, haben oft getäuscht; die Besorgniſs neuer Täuschung schlägt nun die bestimmteren Züge, welche man dem Unbekannten zu leihen geneigt ist, vollends nieder; nnd nach der Ver- neinung aller besondern Bestimmungen soll bloſs ein Vorstellen, dessen Vorgestelltes sich ausgelöscht hat, übrig bleiben. Diese Zumuthung wird niemals völlig er- füllt; aber die Vorstellung gilt nun für die ganz allge-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/233>, abgerufen am 24.11.2024.