Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Erinnerung an die Göttingische Katastrophe im Jahr 1837. Königsberg, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht etwa auch jene Herren die Verbreitung
als ein unglückliches Ereigniss betrachteten,
-- fehlte es an Einstimmung; und diese Ein-
stimmung,
-- so unbegreiflich es jenen auch
dünken möge, und so grosse politische Sünde
sie darin finden mögen, -- konnte und sollte
nicht vorgespiegelt werden; aus dem ein-
fachen Grunde nicht, weil die Vorspiegelung
eine Unwahrheit gewesen wäre.

Das war eben das Unheil, was die Herren
angerichtet hatten, dass in Beziehung auf Göt-
tingen die Form wichtiger wurde als die Sache.



Mag man nun immerhin entgegnen: das
allgemein Ausgesprochene sey nur meine indi-
viduelle Behauptung. Dann ist die Behauptung
wenigstens nicht für den jetzigen Gebrauch
erfunden; sondern schon längst bin ich durch
die Erfahrungen meines Lebens und durch
mein Nachdenken auf den Standpunkt gestellt
worden, von welchem aus ich das Gegenwär-
tige beurtheile. Hierüber muss ich mir noch
einige Worte erlauben. Damit ich aber nicht
allein rede, will ich mir einen sehr verehrten
Gegner aufsuchen; ich will es wagen, nach
ihm zu sprechen, obgleich seine Sprache zu
erreichen mir unmöglich ist. Was werde ich

nicht etwa auch jene Herren die Verbreitung
als ein unglückliches Ereigniss betrachteten,
— fehlte es an Einstimmung; und diese Ein-
stimmung,
— so unbegreiflich es jenen auch
dünken möge, und so grosse politische Sünde
sie darin finden mögen, — konnte und sollte
nicht vorgespiegelt werden; aus dem ein-
fachen Grunde nicht, weil die Vorspiegelung
eine Unwahrheit gewesen wäre.

Das war eben das Unheil, was die Herren
angerichtet hatten, dass in Beziehung auf Göt-
tingen die Form wichtiger wurde als die Sache.



Mag man nun immerhin entgegnen: das
allgemein Ausgesprochene sey nur meine indi-
viduelle Behauptung. Dann ist die Behauptung
wenigstens nicht für den jetzigen Gebrauch
erfunden; sondern schon längst bin ich durch
die Erfahrungen meines Lebens und durch
mein Nachdenken auf den Standpunkt gestellt
worden, von welchem aus ich das Gegenwär-
tige beurtheile. Hierüber muss ich mir noch
einige Worte erlauben. Damit ich aber nicht
allein rede, will ich mir einen sehr verehrten
Gegner aufsuchen; ich will es wagen, nach
ihm zu sprechen, obgleich seine Sprache zu
erreichen mir unmöglich ist. Was werde ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p> <hi rendition="#aq"><pb facs="#f0043" n="39"/>
nicht etwa auch jene Herren die Verbreitung<lb/>
als ein unglückliches Ereigniss betrachteten,<lb/>
&#x2014; fehlte es an Einstimmung; und <hi rendition="#g">diese Ein-<lb/>
stimmung,</hi> &#x2014; so unbegreiflich es jenen auch<lb/>
dünken möge, und so grosse politische Sünde<lb/>
sie darin finden mögen, &#x2014; konnte und sollte<lb/>
nicht <hi rendition="#g">vorgespiegelt</hi> werden; aus dem ein-<lb/>
fachen Grunde nicht, weil die Vorspiegelung<lb/>
eine <hi rendition="#g">Unwahrheit</hi> gewesen wäre.</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#aq">Das war eben das Unheil, was die Herren<lb/>
angerichtet hatten, dass in Beziehung auf Göt-<lb/>
tingen die Form wichtiger wurde als die Sache.</hi> </p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p> <hi rendition="#aq">Mag man nun immerhin entgegnen: das<lb/>
allgemein Ausgesprochene sey nur meine indi-<lb/>
viduelle Behauptung. Dann ist die Behauptung<lb/>
wenigstens nicht für den jetzigen Gebrauch<lb/>
erfunden; sondern schon längst bin ich durch<lb/>
die Erfahrungen meines Lebens und durch<lb/>
mein Nachdenken auf den Standpunkt gestellt<lb/>
worden, von welchem aus ich das Gegenwär-<lb/>
tige beurtheile. Hierüber muss ich mir noch<lb/>
einige Worte erlauben. Damit ich aber nicht<lb/>
allein rede, will ich mir einen sehr verehrten<lb/>
Gegner aufsuchen; ich will es wagen, nach<lb/>
ihm zu sprechen, obgleich seine Sprache zu<lb/>
erreichen mir unmöglich ist. Was werde ich<lb/></hi> </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0043] nicht etwa auch jene Herren die Verbreitung als ein unglückliches Ereigniss betrachteten, — fehlte es an Einstimmung; und diese Ein- stimmung, — so unbegreiflich es jenen auch dünken möge, und so grosse politische Sünde sie darin finden mögen, — konnte und sollte nicht vorgespiegelt werden; aus dem ein- fachen Grunde nicht, weil die Vorspiegelung eine Unwahrheit gewesen wäre. Das war eben das Unheil, was die Herren angerichtet hatten, dass in Beziehung auf Göt- tingen die Form wichtiger wurde als die Sache. Mag man nun immerhin entgegnen: das allgemein Ausgesprochene sey nur meine indi- viduelle Behauptung. Dann ist die Behauptung wenigstens nicht für den jetzigen Gebrauch erfunden; sondern schon längst bin ich durch die Erfahrungen meines Lebens und durch mein Nachdenken auf den Standpunkt gestellt worden, von welchem aus ich das Gegenwär- tige beurtheile. Hierüber muss ich mir noch einige Worte erlauben. Damit ich aber nicht allein rede, will ich mir einen sehr verehrten Gegner aufsuchen; ich will es wagen, nach ihm zu sprechen, obgleich seine Sprache zu erreichen mir unmöglich ist. Was werde ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_goettingen_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_goettingen_1842/43
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Erinnerung an die Göttingische Katastrophe im Jahr 1837. Königsberg, 1842, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_goettingen_1842/43>, abgerufen am 22.11.2024.