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Herbart, Johann Friedrich: Erinnerung an die Göttingische Katastrophe im Jahr 1837. Königsberg, 1842.

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können, eindringlich ans Herz zu legen, was
sie längst wissen: dass die Wissenschaft nur
durch ihr ruhiges Daseyn wirken kann, indem
sie weder die Macht des Staats noch der
Kirche besitzt; und dass sie, um dies ruhige
Daseyn sich zu erhalten, keine Furcht, son-
dern Vertrauen einflössen muss!

Soll man, nach Analogie des gewöhnlich
angenommenen Urrechts eines jeden Menschen
auf sein eignes Leben und auf seine gesunden
Glieder, der Wissenschaft ebenfalls ein Ur-
recht auf ihr Daseyn, Leben, und Wirken
beylegen? Oder soll man sie von der Seite
ihrer Nützlichkeit, ja ihrer Unentbehrlichkeit
empfehlen? Soll man entwickeln, dass, wenn
die Wissenschaften nicht mehr gepflegt, oder
wenn sie auf den Staatsdienst beschränkt wer-
den, sie alsdann kränkeln, und eben diesen
Dienst nicht mehr leisten können? Dass als-
dann keine Verfassung in der Welt im Stande
ist, die Gedanken der Menschen zu ordnen
und gegen Vorurtheile und Einbildungen zu
schützen? -- Was helfen dergleichen be-
kannte Betrachtungen gegen das allgewaltige
politische Interesse, welches sie darüber
weit erhaben fühlt!

können, eindringlich ans Herz zu legen, was
sie längst wissen: dass die Wissenschaft nur
durch ihr ruhiges Daseyn wirken kann, indem
sie weder die Macht des Staats noch der
Kirche besitzt; und dass sie, um dies ruhige
Daseyn sich zu erhalten, keine Furcht, son-
dern Vertrauen einflössen muss!

Soll man, nach Analogie des gewöhnlich
angenommenen Urrechts eines jeden Menschen
auf sein eignes Leben und auf seine gesunden
Glieder, der Wissenschaft ebenfalls ein Ur-
recht auf ihr Daseyn, Leben, und Wirken
beylegen? Oder soll man sie von der Seite
ihrer Nützlichkeit, ja ihrer Unentbehrlichkeit
empfehlen? Soll man entwickeln, dass, wenn
die Wissenschaften nicht mehr gepflegt, oder
wenn sie auf den Staatsdienst beschränkt wer-
den, sie alsdann kränkeln, und eben diesen
Dienst nicht mehr leisten können? Dass als-
dann keine Verfassung in der Welt im Stande
ist, die Gedanken der Menschen zu ordnen
und gegen Vorurtheile und Einbildungen zu
schützen? — Was helfen dergleichen be-
kannte Betrachtungen gegen das allgewaltige
politische Interesse, welches sie darüber
weit erhaben fühlt!

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[27/0031] können, eindringlich ans Herz zu legen, was sie längst wissen: dass die Wissenschaft nur durch ihr ruhiges Daseyn wirken kann, indem sie weder die Macht des Staats noch der Kirche besitzt; und dass sie, um dies ruhige Daseyn sich zu erhalten, keine Furcht, son- dern Vertrauen einflössen muss! Soll man, nach Analogie des gewöhnlich angenommenen Urrechts eines jeden Menschen auf sein eignes Leben und auf seine gesunden Glieder, der Wissenschaft ebenfalls ein Ur- recht auf ihr Daseyn, Leben, und Wirken beylegen? Oder soll man sie von der Seite ihrer Nützlichkeit, ja ihrer Unentbehrlichkeit empfehlen? Soll man entwickeln, dass, wenn die Wissenschaften nicht mehr gepflegt, oder wenn sie auf den Staatsdienst beschränkt wer- den, sie alsdann kränkeln, und eben diesen Dienst nicht mehr leisten können? Dass als- dann keine Verfassung in der Welt im Stande ist, die Gedanken der Menschen zu ordnen und gegen Vorurtheile und Einbildungen zu schützen? — Was helfen dergleichen be- kannte Betrachtungen gegen das allgewaltige politische Interesse, welches sie darüber weit erhaben fühlt!

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Erinnerung an die Göttingische Katastrophe im Jahr 1837. Königsberg, 1842, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_goettingen_1842/31>, abgerufen am 25.04.2024.