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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

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dem Pallaste der Fiordimona geschehen. Die
unglückliche liebte ihn wahrhaftig, und von
Grund der Seele.

Sonderbarer Weise hielt sich in demselben
Gasthofe Fulvia mit ihrem Gemahl auf; sie
hatten Genua wegen der bürgerlichen Unruhen
verlassen, worin schon verschiedne Edle dort ihr
Leben einbüßten. Ein allgemeines Strafgericht
schien wirklich über Italien nach dem Ausspruch
der Gottesgelehrten wegen seiner Sünden und
Bosheiten verhängt. Auch sie führte ihr Söhn-
chen, das sie aus voller mütterlichen Liebe selbst
säugte, bey sich. Eine wahrhafte Bacchantin-
figur, wie von einem griechischen Basrelief,
oder einer alten Gemme weg ins wirkliche Leben
gezaubert! Die Gluth schlug aus ihren schwarzen
Augen, und ihre Lippen schienen berauscht zu
dürsten. Auch sie mußte das Gerücht von Ar-
dinghellon erfahren haben. Doch lief dabey noch
ein andres herum: der Kardinal, Bruder des

Groß-
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dem Pallaſte der Fiordimona geſchehen. Die
ungluͤckliche liebte ihn wahrhaftig, und von
Grund der Seele.

Sonderbarer Weiſe hielt ſich in demſelben
Gaſthofe Fulvia mit ihrem Gemahl auf; ſie
hatten Genua wegen der buͤrgerlichen Unruhen
verlaſſen, worin ſchon verſchiedne Edle dort ihr
Leben einbuͤßten. Ein allgemeines Strafgericht
ſchien wirklich uͤber Italien nach dem Ausſpruch
der Gottesgelehrten wegen ſeiner Suͤnden und
Bosheiten verhaͤngt. Auch ſie fuͤhrte ihr Soͤhn-
chen, das ſie aus voller muͤtterlichen Liebe ſelbſt
ſaͤugte, bey ſich. Eine wahrhafte Bacchantin-
figur, wie von einem griechiſchen Basrelief,
oder einer alten Gemme weg ins wirkliche Leben
gezaubert! Die Gluth ſchlug aus ihren ſchwarzen
Augen, und ihre Lippen ſchienen berauſcht zu
duͤrſten. Auch ſie mußte das Geruͤcht von Ar-
dinghellon erfahren haben. Doch lief dabey noch
ein andres herum: der Kardinal, Bruder des

Groß-
Y 3
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[339/0347] dem Pallaſte der Fiordimona geſchehen. Die ungluͤckliche liebte ihn wahrhaftig, und von Grund der Seele. Sonderbarer Weiſe hielt ſich in demſelben Gaſthofe Fulvia mit ihrem Gemahl auf; ſie hatten Genua wegen der buͤrgerlichen Unruhen verlaſſen, worin ſchon verſchiedne Edle dort ihr Leben einbuͤßten. Ein allgemeines Strafgericht ſchien wirklich uͤber Italien nach dem Ausſpruch der Gottesgelehrten wegen ſeiner Suͤnden und Bosheiten verhaͤngt. Auch ſie fuͤhrte ihr Soͤhn- chen, das ſie aus voller muͤtterlichen Liebe ſelbſt ſaͤugte, bey ſich. Eine wahrhafte Bacchantin- figur, wie von einem griechiſchen Basrelief, oder einer alten Gemme weg ins wirkliche Leben gezaubert! Die Gluth ſchlug aus ihren ſchwarzen Augen, und ihre Lippen ſchienen berauſcht zu duͤrſten. Auch ſie mußte das Geruͤcht von Ar- dinghellon erfahren haben. Doch lief dabey noch ein andres herum: der Kardinal, Bruder des Groß- Y 3

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/347>, abgerufen am 10.06.2024.