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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

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benheiten! führte er sie nach seinem Schlafge-
mach; sie hatte zwar Anstand, ihn zu begleiten,
und hielt einigemal ein; ihr Geist mochte ihr
Schicksal voraus ahnden! Doch folgte das ergie-
bige Geschöpf endlich seinem Händedruck, und
hielt die Racheheißen für Liebewärme.

Im Zimmer umarmt er sie, und küßt sie,
und sinkt wie unenthaltsam mit ihr aufs Bett.
Als sie auf der Breite desselben so hingestreckt
liegt: wird ihr hinten ein Strick um den Hals
geworfen von einem gedungnen Mörder, und sie
mit langer Marter erdrosselt. O du Elender!
warum nicht kurz mit Gift, mit einem Dolch-
stich, wenn du sie doch aus der Welt schaffen
wolltest?

Sie wurde die andre Nacht schon zu ihrer
Familie in die Kirche S. Lorenzo begraben;
und man sprengte aus, sie sey plötzlich an einem
Steckfluß gestorben. Allein ihr schwarzes Gesicht

war

benheiten! fuͤhrte er ſie nach ſeinem Schlafge-
mach; ſie hatte zwar Anſtand, ihn zu begleiten,
und hielt einigemal ein; ihr Geiſt mochte ihr
Schickſal voraus ahnden! Doch folgte das ergie-
bige Geſchoͤpf endlich ſeinem Haͤndedruck, und
hielt die Racheheißen fuͤr Liebewaͤrme.

Im Zimmer umarmt er ſie, und kuͤßt ſie,
und ſinkt wie unenthaltſam mit ihr aufs Bett.
Als ſie auf der Breite deſſelben ſo hingeſtreckt
liegt: wird ihr hinten ein Strick um den Hals
geworfen von einem gedungnen Moͤrder, und ſie
mit langer Marter erdroſſelt. O du Elender!
warum nicht kurz mit Gift, mit einem Dolch-
ſtich, wenn du ſie doch aus der Welt ſchaffen
wollteſt?

Sie wurde die andre Nacht ſchon zu ihrer
Familie in die Kirche S. Lorenzo begraben;
und man ſprengte aus, ſie ſey ploͤtzlich an einem
Steckfluß geſtorben. Allein ihr ſchwarzes Geſicht

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[294/0302] benheiten! fuͤhrte er ſie nach ſeinem Schlafge- mach; ſie hatte zwar Anſtand, ihn zu begleiten, und hielt einigemal ein; ihr Geiſt mochte ihr Schickſal voraus ahnden! Doch folgte das ergie- bige Geſchoͤpf endlich ſeinem Haͤndedruck, und hielt die Racheheißen fuͤr Liebewaͤrme. Im Zimmer umarmt er ſie, und kuͤßt ſie, und ſinkt wie unenthaltſam mit ihr aufs Bett. Als ſie auf der Breite deſſelben ſo hingeſtreckt liegt: wird ihr hinten ein Strick um den Hals geworfen von einem gedungnen Moͤrder, und ſie mit langer Marter erdroſſelt. O du Elender! warum nicht kurz mit Gift, mit einem Dolch- ſtich, wenn du ſie doch aus der Welt ſchaffen wollteſt? Sie wurde die andre Nacht ſchon zu ihrer Familie in die Kirche S. Lorenzo begraben; und man ſprengte aus, ſie ſey ploͤtzlich an einem Steckfluß geſtorben. Allein ihr ſchwarzes Geſicht war

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/302>, abgerufen am 22.11.2024.