Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

und sich ergötzen, haben uns schon längst geru-
fen."

Wir umarmten uns denn beyde mit glü-
hendem Gesicht und klopfendem Herzen.

Unten erfuhr ich, daß mein Mann ein
Grieche sey aus der Insel Scio, den die Giusti-
niani als Knaben mit sich genommen hatten.
Er hielt sich nun für beständig in Rom auf, und
lebte frey von einer kleinen Pension aus diesem
Hause; und erwarb sich das übrige damit, daß er
griechische Handschriften aus der Vatikanischen
Bibliothek für auswärtige Gelehrten theils ko-
pierte, theils die verschiednen Lesarten daraus
sammelte. Er heißt Demetri, und mag an die
vierzig Jahr alt seyn. Sein Wuchs ist groß und
stämmicht, und seine Gestalt so kühn und unabhän-
gig, und seine Sitte so gegen alles Vornehme,
daß er wie Diogenes dem Dionysios von Syra-
kus zu Korinth hätte sagen können: er sey des

glück-

und ſich ergoͤtzen, haben uns ſchon laͤngſt geru-
fen.“

Wir umarmten uns denn beyde mit gluͤ-
hendem Geſicht und klopfendem Herzen.

Unten erfuhr ich, daß mein Mann ein
Grieche ſey aus der Inſel Scio, den die Giuſti-
niani als Knaben mit ſich genommen hatten.
Er hielt ſich nun fuͤr beſtaͤndig in Rom auf, und
lebte frey von einer kleinen Penſion aus dieſem
Hauſe; und erwarb ſich das uͤbrige damit, daß er
griechiſche Handſchriften aus der Vatikaniſchen
Bibliothek fuͤr auswaͤrtige Gelehrten theils ko-
pierte, theils die verſchiednen Lesarten daraus
ſammelte. Er heißt Demetri, und mag an die
vierzig Jahr alt ſeyn. Sein Wuchs iſt groß und
ſtaͤmmicht, und ſeine Geſtalt ſo kuͤhn und unabhaͤn-
gig, und ſeine Sitte ſo gegen alles Vornehme,
daß er wie Diogenes dem Dionyſios von Syra-
kus zu Korinth haͤtte ſagen koͤnnen: er ſey des

gluͤck-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0398" n="392"/>
und &#x017F;ich ergo&#x0364;tzen, haben uns &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t geru-<lb/>
fen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wir umarmten uns denn beyde mit glu&#x0364;-<lb/>
hendem Ge&#x017F;icht und klopfendem Herzen.</p><lb/>
        <p>Unten erfuhr ich, daß mein Mann ein<lb/>
Grieche &#x017F;ey aus der In&#x017F;el <hi rendition="#fr">Scio</hi>, den die Giu&#x017F;ti-<lb/>
niani als Knaben mit &#x017F;ich genommen hatten.<lb/>
Er hielt &#x017F;ich nun fu&#x0364;r be&#x017F;ta&#x0364;ndig in Rom auf, und<lb/>
lebte frey von einer kleinen Pen&#x017F;ion aus die&#x017F;em<lb/>
Hau&#x017F;e; und erwarb &#x017F;ich das u&#x0364;brige damit, daß er<lb/>
griechi&#x017F;che Hand&#x017F;chriften aus der Vatikani&#x017F;chen<lb/>
Bibliothek fu&#x0364;r auswa&#x0364;rtige Gelehrten theils ko-<lb/>
pierte, theils die ver&#x017F;chiednen Lesarten daraus<lb/>
&#x017F;ammelte. Er heißt <hi rendition="#fr">Demetri</hi>, und mag an die<lb/>
vierzig Jahr alt &#x017F;eyn. Sein Wuchs i&#x017F;t groß und<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;mmicht, und &#x017F;eine Ge&#x017F;talt &#x017F;o ku&#x0364;hn und unabha&#x0364;n-<lb/>
gig, und &#x017F;eine Sitte &#x017F;o gegen alles Vornehme,<lb/>
daß er wie Diogenes dem Diony&#x017F;ios von Syra-<lb/>
kus zu Korinth ha&#x0364;tte &#x017F;agen ko&#x0364;nnen: er &#x017F;ey des<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">glu&#x0364;ck-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[392/0398] und ſich ergoͤtzen, haben uns ſchon laͤngſt geru- fen.“ Wir umarmten uns denn beyde mit gluͤ- hendem Geſicht und klopfendem Herzen. Unten erfuhr ich, daß mein Mann ein Grieche ſey aus der Inſel Scio, den die Giuſti- niani als Knaben mit ſich genommen hatten. Er hielt ſich nun fuͤr beſtaͤndig in Rom auf, und lebte frey von einer kleinen Penſion aus dieſem Hauſe; und erwarb ſich das uͤbrige damit, daß er griechiſche Handſchriften aus der Vatikaniſchen Bibliothek fuͤr auswaͤrtige Gelehrten theils ko- pierte, theils die verſchiednen Lesarten daraus ſammelte. Er heißt Demetri, und mag an die vierzig Jahr alt ſeyn. Sein Wuchs iſt groß und ſtaͤmmicht, und ſeine Geſtalt ſo kuͤhn und unabhaͤn- gig, und ſeine Sitte ſo gegen alles Vornehme, daß er wie Diogenes dem Dionyſios von Syra- kus zu Korinth haͤtte ſagen koͤnnen: er ſey des gluͤck-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/398
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/398>, abgerufen am 22.11.2024.