bis auf zehntausend zahme und wilde Thiere und unzählbare Gladiatoren kämpften; und Kommodus brachte nach dem Lampridius hundert Elephanten mit eigner Hand um.
Es ist klar genug, daß ein solches Volk, welches noch überdieß wirkliche Könige und Hel- den am Leben, wie Jugurtha, ihren letzten Tropfen Existenz in seinen öffentlichen Gefäng- nissen bis auf den äußersten Hunger ausdauern sah, der kleinern Athoniensischen Tragödie nicht bedurfte, um das Herz nach dem Aristoteles von Furcht und Schrecken zu reinigen. Und was sind wir, denen die Vorstellungen des Sophokles und Euripides zu grausam vorkommen?
Es ist wohl wahr, der Mensch bezieht al- les auf sich selbst, und also auch die Werke der Kunst; sein Gefühl ist wie sein Charakter. Ein Miltiades, Themistokles, ein Sylla und Cäsar können bey Gegenständen Vergnügen empfinden, die bey einem Schwachen Abscheu erregen und ihn
mar-
bis auf zehntauſend zahme und wilde Thiere und unzaͤhlbare Gladiatoren kaͤmpften; und Kommodus brachte nach dem Lampridius hundert Elephanten mit eigner Hand um.
Es iſt klar genug, daß ein ſolches Volk, welches noch uͤberdieß wirkliche Koͤnige und Hel- den am Leben, wie Jugurtha, ihren letzten Tropfen Exiſtenz in ſeinen oͤffentlichen Gefaͤng- niſſen bis auf den aͤußerſten Hunger ausdauern ſah, der kleinern Athonienſiſchen Tragoͤdie nicht bedurfte, um das Herz nach dem Ariſtoteles von Furcht und Schrecken zu reinigen. Und was ſind wir, denen die Vorſtellungen des Sophokles und Euripides zu grauſam vorkommen?
Es iſt wohl wahr, der Menſch bezieht al- les auf ſich ſelbſt, und alſo auch die Werke der Kunſt; ſein Gefuͤhl iſt wie ſein Charakter. Ein Miltiades, Themiſtokles, ein Sylla und Caͤſar koͤnnen bey Gegenſtaͤnden Vergnuͤgen empfinden, die bey einem Schwachen Abſcheu erregen und ihn
mar-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0336"n="330"/>
bis auf zehntauſend zahme und wilde Thiere<lb/>
und unzaͤhlbare Gladiatoren kaͤmpften; und<lb/>
Kommodus brachte nach dem Lampridius hundert<lb/>
Elephanten mit eigner Hand um.</p><lb/><p>Es iſt klar genug, daß ein ſolches Volk,<lb/>
welches noch uͤberdieß wirkliche Koͤnige und Hel-<lb/>
den am Leben, wie Jugurtha, ihren letzten<lb/>
Tropfen Exiſtenz in ſeinen oͤffentlichen Gefaͤng-<lb/>
niſſen bis auf den aͤußerſten Hunger ausdauern<lb/>ſah, der kleinern Athonienſiſchen Tragoͤdie nicht<lb/>
bedurfte, um das Herz nach dem Ariſtoteles von<lb/>
Furcht und Schrecken zu reinigen. Und was<lb/>ſind wir, denen die Vorſtellungen des Sophokles<lb/>
und Euripides zu grauſam vorkommen?</p><lb/><p>Es iſt wohl wahr, der Menſch bezieht al-<lb/>
les auf ſich ſelbſt, und alſo auch die Werke der<lb/>
Kunſt; ſein Gefuͤhl iſt wie ſein Charakter. Ein<lb/>
Miltiades, Themiſtokles, ein Sylla und Caͤſar<lb/>
koͤnnen bey Gegenſtaͤnden Vergnuͤgen empfinden,<lb/>
die bey einem Schwachen Abſcheu erregen und ihn<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mar-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[330/0336]
bis auf zehntauſend zahme und wilde Thiere
und unzaͤhlbare Gladiatoren kaͤmpften; und
Kommodus brachte nach dem Lampridius hundert
Elephanten mit eigner Hand um.
Es iſt klar genug, daß ein ſolches Volk,
welches noch uͤberdieß wirkliche Koͤnige und Hel-
den am Leben, wie Jugurtha, ihren letzten
Tropfen Exiſtenz in ſeinen oͤffentlichen Gefaͤng-
niſſen bis auf den aͤußerſten Hunger ausdauern
ſah, der kleinern Athonienſiſchen Tragoͤdie nicht
bedurfte, um das Herz nach dem Ariſtoteles von
Furcht und Schrecken zu reinigen. Und was
ſind wir, denen die Vorſtellungen des Sophokles
und Euripides zu grauſam vorkommen?
Es iſt wohl wahr, der Menſch bezieht al-
les auf ſich ſelbſt, und alſo auch die Werke der
Kunſt; ſein Gefuͤhl iſt wie ſein Charakter. Ein
Miltiades, Themiſtokles, ein Sylla und Caͤſar
koͤnnen bey Gegenſtaͤnden Vergnuͤgen empfinden,
die bey einem Schwachen Abſcheu erregen und ihn
mar-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/336>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.