und Jury, trotz all' ihrer kurzweiligen Feierlichkeit und langweiligen Jurisprudenz. Hab' ich doch draußen vor der Gerichtsthüre eine alte Frau gesehen, die im Kreise ihrer Gevatterinnen den armen schwarzen William besser vertheidigte, als drinnen im Saale dessen grundgelehrter Advocat -- wie sie die letzte Thräne mit der zerlumpten Schürze aus den rothen Augen wegwischte, schien auch Williams ganze Schuld vertilgt zu seyn.
Im Gerichtssaale selbst, der nicht besonders groß, ist unten, vor der sogenannten Bar (Schran¬ ken) wenig Platz für das Publikum; dafür giebt es aber oben, an beyden Seiten, sehr geräumige Gallerien mit erhöheten Bänken, wo die Zuschauer, Kopf über Kopf, gestapelt stehen.
Als ich Old Bailey besuchte, fand auch ich Platz auf einer solchen Gallerie, die mir von einer alten Pförtnerin gegen Gratification eines Schil¬ lings erschlossen wurde. Ich kam in dem Augen¬ blick, wo die Jury sich erhob, um zu urtheilen:
und Jury, trotz all' ihrer kurzweiligen Feierlichkeit und langweiligen Jurisprudenz. Hab' ich doch draußen vor der Gerichtsthuͤre eine alte Frau geſehen, die im Kreiſe ihrer Gevatterinnen den armen ſchwarzen William beſſer vertheidigte, als drinnen im Saale deſſen grundgelehrter Advocat — wie ſie die letzte Thraͤne mit der zerlumpten Schuͤrze aus den rothen Augen wegwiſchte, ſchien auch Williams ganze Schuld vertilgt zu ſeyn.
Im Gerichtsſaale ſelbſt, der nicht beſonders groß, iſt unten, vor der ſogenannten Bar (Schran¬ ken) wenig Platz fuͤr das Publikum; dafuͤr giebt es aber oben, an beyden Seiten, ſehr geraͤumige Gallerien mit erhoͤheten Baͤnken, wo die Zuſchauer, Kopf uͤber Kopf, geſtapelt ſtehen.
Als ich Old Bailey beſuchte, fand auch ich Platz auf einer ſolchen Gallerie, die mir von einer alten Pfoͤrtnerin gegen Gratification eines Schil¬ lings erſchloſſen wurde. Ich kam in dem Augen¬ blick, wo die Jury ſich erhob, um zu urtheilen:
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0214"n="200"/>
und Jury, trotz all' ihrer kurzweiligen Feierlichkeit<lb/>
und langweiligen Jurisprudenz. Hab' ich doch<lb/>
draußen vor der Gerichtsthuͤre eine alte Frau<lb/>
geſehen, die im Kreiſe ihrer Gevatterinnen den<lb/>
armen ſchwarzen William beſſer vertheidigte, als<lb/>
drinnen im Saale deſſen grundgelehrter Advocat —<lb/>
wie ſie die letzte Thraͤne mit der zerlumpten<lb/>
Schuͤrze aus den rothen Augen wegwiſchte, ſchien<lb/>
auch Williams ganze Schuld vertilgt zu ſeyn.</p><lb/><p>Im Gerichtsſaale ſelbſt, der nicht beſonders<lb/>
groß, iſt unten, vor der ſogenannten Bar (Schran¬<lb/>
ken) wenig Platz fuͤr das Publikum; dafuͤr giebt<lb/>
es aber oben, an beyden Seiten, ſehr geraͤumige<lb/>
Gallerien mit erhoͤheten Baͤnken, wo die Zuſchauer,<lb/>
Kopf uͤber Kopf, geſtapelt ſtehen.</p><lb/><p>Als ich Old Bailey beſuchte, fand auch ich<lb/>
Platz auf einer ſolchen Gallerie, die mir von einer<lb/>
alten Pfoͤrtnerin gegen Gratification eines Schil¬<lb/>
lings erſchloſſen wurde. Ich kam in dem Augen¬<lb/>
blick, wo die Jury ſich erhob, um zu urtheilen:<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[200/0214]
und Jury, trotz all' ihrer kurzweiligen Feierlichkeit
und langweiligen Jurisprudenz. Hab' ich doch
draußen vor der Gerichtsthuͤre eine alte Frau
geſehen, die im Kreiſe ihrer Gevatterinnen den
armen ſchwarzen William beſſer vertheidigte, als
drinnen im Saale deſſen grundgelehrter Advocat —
wie ſie die letzte Thraͤne mit der zerlumpten
Schuͤrze aus den rothen Augen wegwiſchte, ſchien
auch Williams ganze Schuld vertilgt zu ſeyn.
Im Gerichtsſaale ſelbſt, der nicht beſonders
groß, iſt unten, vor der ſogenannten Bar (Schran¬
ken) wenig Platz fuͤr das Publikum; dafuͤr giebt
es aber oben, an beyden Seiten, ſehr geraͤumige
Gallerien mit erhoͤheten Baͤnken, wo die Zuſchauer,
Kopf uͤber Kopf, geſtapelt ſtehen.
Als ich Old Bailey beſuchte, fand auch ich
Platz auf einer ſolchen Gallerie, die mir von einer
alten Pfoͤrtnerin gegen Gratification eines Schil¬
lings erſchloſſen wurde. Ich kam in dem Augen¬
blick, wo die Jury ſich erhob, um zu urtheilen:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/214>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.