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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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wie gewöhnlich, die Hand mit der Wage abge¬
brochen ist, und Nichts als ein blindes Weibsbild
mit einem Schwerte übrig blieb. Ungefähr gegen
die Mitte des Gebäudes ist der Altar dieser Göt¬
tin, nämlich das Fenster, wo das Galgengerüst
zu stehen kommt, und endlich rechts befindet sich
der Criminalgerichtshof, worin die vierteljährlichen
Sessionen gehalten werden. Hier ist ein Thor,
das gleich den Pforten der Danteschen Hölle die
Inschrift tragen sollte:

Per me si va ne la citta dolente,
Per me si va ne l' eterno dolore,
Per me si va tra la perduta gente.

Durch dieses Thor gelangt man auf einen klei¬
nen Hof, wo der Abschaum des Pöbels versam¬
melt ist, um die Verbrecher durchpassiren zu sehen;
auch stehen hier Freunde und Feinde derselben,
Verwandte, Bettelkinder, Blödsinnige, besonders
alte Weiber, die den Rechtsfall des Tages abhan¬
deln, und vielleicht mit mehr Einsicht als Richter

wie gewoͤhnlich, die Hand mit der Wage abge¬
brochen iſt, und Nichts als ein blindes Weibsbild
mit einem Schwerte uͤbrig blieb. Ungefaͤhr gegen
die Mitte des Gebaͤudes iſt der Altar dieſer Goͤt¬
tin, naͤmlich das Fenſter, wo das Galgengeruͤſt
zu ſtehen kommt, und endlich rechts befindet ſich
der Criminalgerichtshof, worin die vierteljaͤhrlichen
Seſſionen gehalten werden. Hier iſt ein Thor,
das gleich den Pforten der Danteſchen Hoͤlle die
Inſchrift tragen ſollte:

Per me si va ne la città dolente,
Per me si va ne l' eterno dolore,
Per me si va tra la perduta gente.

Durch dieſes Thor gelangt man auf einen klei¬
nen Hof, wo der Abſchaum des Poͤbels verſam¬
melt iſt, um die Verbrecher durchpaſſiren zu ſehen;
auch ſtehen hier Freunde und Feinde derſelben,
Verwandte, Bettelkinder, Bloͤdſinnige, beſonders
alte Weiber, die den Rechtsfall des Tages abhan¬
deln, und vielleicht mit mehr Einſicht als Richter

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[199/0213] wie gewoͤhnlich, die Hand mit der Wage abge¬ brochen iſt, und Nichts als ein blindes Weibsbild mit einem Schwerte uͤbrig blieb. Ungefaͤhr gegen die Mitte des Gebaͤudes iſt der Altar dieſer Goͤt¬ tin, naͤmlich das Fenſter, wo das Galgengeruͤſt zu ſtehen kommt, und endlich rechts befindet ſich der Criminalgerichtshof, worin die vierteljaͤhrlichen Seſſionen gehalten werden. Hier iſt ein Thor, das gleich den Pforten der Danteſchen Hoͤlle die Inſchrift tragen ſollte: Per me si va ne la città dolente, Per me si va ne l' eterno dolore, Per me si va tra la perduta gente. Durch dieſes Thor gelangt man auf einen klei¬ nen Hof, wo der Abſchaum des Poͤbels verſam¬ melt iſt, um die Verbrecher durchpaſſiren zu ſehen; auch ſtehen hier Freunde und Feinde derſelben, Verwandte, Bettelkinder, Bloͤdſinnige, beſonders alte Weiber, die den Rechtsfall des Tages abhan¬ deln, und vielleicht mit mehr Einſicht als Richter

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/213>, abgerufen am 24.11.2024.