Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Nur der Schluß des Mährchens von St.
Helena ist anders, der Kaiser stirbt an einem
Magenkrebs, und Walter Scott versichert uns,
das sey die alleinige Ursache seines Todes. Darin
will ich ihm auch nicht widersprechen. Die Sache
ist nicht unmöglich. Es ist möglich, daß ein
Mann, der auf der Folterbank gespannt liegt,
plötzlich ganz natürlich an einem Schlagfluß stirbt.
Aber die böse Welt wird sagen: die Folterknechte
haben ihn hingerichtet. Die böse Welt hat sich
nun einmal vorgenommen, die Sache ganz anders
zu betrachten, wie der gute Walter Scott. Wenn
dieser gute Mann, der sonst so bibelfest ist, und
gern das Evangelium citirt, in jenem Aufruhr der
Elemente, in jenem Orcane, der beym Tode Na¬
poleons ausbrach, nichts anders sieht als ein Er¬
eigniß, daß auch beym Tode Cromwells statt fand:
so hat doch die Welt darüber ihre eigenen Gedan¬
ken. Sie betrachtet den Tod Napoleons als die
entsetzlichste Unthat, losbrechendes Schmerzgefühl

Nur der Schluß des Maͤhrchens von St.
Helena iſt anders, der Kaiſer ſtirbt an einem
Magenkrebs, und Walter Scott verſichert uns,
das ſey die alleinige Urſache ſeines Todes. Darin
will ich ihm auch nicht widerſprechen. Die Sache
iſt nicht unmoͤglich. Es iſt moͤglich, daß ein
Mann, der auf der Folterbank geſpannt liegt,
ploͤtzlich ganz natuͤrlich an einem Schlagfluß ſtirbt.
Aber die boͤſe Welt wird ſagen: die Folterknechte
haben ihn hingerichtet. Die boͤſe Welt hat ſich
nun einmal vorgenommen, die Sache ganz anders
zu betrachten, wie der gute Walter Scott. Wenn
dieſer gute Mann, der ſonſt ſo bibelfeſt iſt, und
gern das Evangelium citirt, in jenem Aufruhr der
Elemente, in jenem Orcane, der beym Tode Na¬
poleons ausbrach, nichts anders ſieht als ein Er¬
eigniß, daß auch beym Tode Cromwells ſtatt fand:
ſo hat doch die Welt daruͤber ihre eigenen Gedan¬
ken. Sie betrachtet den Tod Napoleons als die
entſetzlichſte Unthat, losbrechendes Schmerzgefuͤhl

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0210" n="196"/>
          <p>Nur der Schluß des Ma&#x0364;hrchens von St.<lb/>
Helena i&#x017F;t anders, der Kai&#x017F;er &#x017F;tirbt an einem<lb/>
Magenkrebs, und Walter Scott ver&#x017F;ichert uns,<lb/>
das &#x017F;ey die alleinige Ur&#x017F;ache &#x017F;eines Todes. Darin<lb/>
will ich ihm auch nicht wider&#x017F;prechen. Die Sache<lb/>
i&#x017F;t nicht unmo&#x0364;glich. Es i&#x017F;t mo&#x0364;glich, daß ein<lb/>
Mann, der auf der Folterbank ge&#x017F;pannt liegt,<lb/>
plo&#x0364;tzlich ganz natu&#x0364;rlich an einem Schlagfluß &#x017F;tirbt.<lb/>
Aber die bo&#x0364;&#x017F;e Welt wird &#x017F;agen: die Folterknechte<lb/>
haben ihn hingerichtet. Die bo&#x0364;&#x017F;e Welt hat &#x017F;ich<lb/>
nun einmal vorgenommen, die Sache ganz anders<lb/>
zu betrachten, wie der gute Walter Scott. Wenn<lb/>
die&#x017F;er gute Mann, der &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o bibelfe&#x017F;t i&#x017F;t, und<lb/>
gern das Evangelium citirt, in jenem Aufruhr der<lb/>
Elemente, in jenem Orcane, der beym Tode Na¬<lb/>
poleons ausbrach, nichts anders &#x017F;ieht als ein Er¬<lb/>
eigniß, daß auch beym Tode Cromwells &#x017F;tatt fand:<lb/>
&#x017F;o hat doch die Welt daru&#x0364;ber ihre eigenen Gedan¬<lb/>
ken. Sie betrachtet den Tod Napoleons als die<lb/>
ent&#x017F;etzlich&#x017F;te Unthat, losbrechendes Schmerzgefu&#x0364;hl<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0210] Nur der Schluß des Maͤhrchens von St. Helena iſt anders, der Kaiſer ſtirbt an einem Magenkrebs, und Walter Scott verſichert uns, das ſey die alleinige Urſache ſeines Todes. Darin will ich ihm auch nicht widerſprechen. Die Sache iſt nicht unmoͤglich. Es iſt moͤglich, daß ein Mann, der auf der Folterbank geſpannt liegt, ploͤtzlich ganz natuͤrlich an einem Schlagfluß ſtirbt. Aber die boͤſe Welt wird ſagen: die Folterknechte haben ihn hingerichtet. Die boͤſe Welt hat ſich nun einmal vorgenommen, die Sache ganz anders zu betrachten, wie der gute Walter Scott. Wenn dieſer gute Mann, der ſonſt ſo bibelfeſt iſt, und gern das Evangelium citirt, in jenem Aufruhr der Elemente, in jenem Orcane, der beym Tode Na¬ poleons ausbrach, nichts anders ſieht als ein Er¬ eigniß, daß auch beym Tode Cromwells ſtatt fand: ſo hat doch die Welt daruͤber ihre eigenen Gedan¬ ken. Sie betrachtet den Tod Napoleons als die entſetzlichſte Unthat, losbrechendes Schmerzgefuͤhl

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/210
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/210>, abgerufen am 22.11.2024.