Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Alles erscheint uns wie gemalt und mahnt uns an
die glänzenden und doch so bescheidenen Bilder
des Franz Mieris. Nur die Menschen sind nicht
so heiter, wie auf diesen holländischen Gemälden,
mit den ernsthaftesten Gesichtern verkaufen sie die
lustigsten Spielsachen, und Zuschnitt und Farbe
ihrer Kleidung ist gleichförmig wie ihre Häuser.

Auf der entgegengesetzten Seite Londons, die
man das Westende nennt, the west end of the
town
, und wo die vornehmere und minder beschäf¬
tigte Welt lebt, ist jene Einförmigkeit noch vor¬
herrschender; doch giebt es hier ganze lange, gar
breite Straßen, wo alle Häuser groß wie Paläste,
aber äußerlich nichts weniger als ausgezeichnet sind,
außer daß man hier, wie an allen nicht ganz ordi¬
nären Wohnhäusern Londons, die Fenster der er¬
sten Etage mit eisengittrigen Balkonen verziert
sieht und auch au rez de chaussee ein schwarzes
Gitterwerk findet, wodurch eine in die Erde gegra¬
bene Kellerwohnung geschützt wird. Auch findet

Alles erſcheint uns wie gemalt und mahnt uns an
die glaͤnzenden und doch ſo beſcheidenen Bilder
des Franz Mieris. Nur die Menſchen ſind nicht
ſo heiter, wie auf dieſen hollaͤndiſchen Gemaͤlden,
mit den ernſthafteſten Geſichtern verkaufen ſie die
luſtigſten Spielſachen, und Zuſchnitt und Farbe
ihrer Kleidung iſt gleichfoͤrmig wie ihre Haͤuſer.

Auf der entgegengeſetzten Seite Londons, die
man das Weſtende nennt, the west end of the
town
, und wo die vornehmere und minder beſchaͤf¬
tigte Welt lebt, iſt jene Einfoͤrmigkeit noch vor¬
herrſchender; doch giebt es hier ganze lange, gar
breite Straßen, wo alle Haͤuſer groß wie Palaͤſte,
aber aͤußerlich nichts weniger als ausgezeichnet ſind,
außer daß man hier, wie an allen nicht ganz ordi¬
naͤren Wohnhaͤuſern Londons, die Fenſter der er¬
ſten Etage mit eiſengittrigen Balkonen verziert
ſieht und auch au rez de chaussée ein ſchwarzes
Gitterwerk findet, wodurch eine in die Erde gegra¬
bene Kellerwohnung geſchuͤtzt wird. Auch findet

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0178" n="164"/>
Alles er&#x017F;cheint uns wie gemalt und mahnt uns an<lb/>
die gla&#x0364;nzenden und doch &#x017F;o be&#x017F;cheidenen Bilder<lb/>
des Franz Mieris. Nur die Men&#x017F;chen &#x017F;ind nicht<lb/>
&#x017F;o heiter, wie auf die&#x017F;en holla&#x0364;ndi&#x017F;chen Gema&#x0364;lden,<lb/>
mit den ern&#x017F;thafte&#x017F;ten Ge&#x017F;ichtern verkaufen &#x017F;ie die<lb/>
lu&#x017F;tig&#x017F;ten Spiel&#x017F;achen, und Zu&#x017F;chnitt und Farbe<lb/>
ihrer Kleidung i&#x017F;t gleichfo&#x0364;rmig wie ihre Ha&#x0364;u&#x017F;er.</p><lb/>
          <p>Auf der entgegenge&#x017F;etzten Seite Londons, die<lb/>
man das We&#x017F;tende nennt, <hi rendition="#aq">the west end of the<lb/>
town</hi>, und wo die vornehmere und minder be&#x017F;cha&#x0364;<lb/>
tigte Welt lebt, i&#x017F;t jene Einfo&#x0364;rmigkeit noch vor¬<lb/>
herr&#x017F;chender; doch giebt es hier ganze lange, gar<lb/>
breite Straßen, wo alle Ha&#x0364;u&#x017F;er groß wie Pala&#x0364;&#x017F;te,<lb/>
aber a&#x0364;ußerlich nichts weniger als ausgezeichnet &#x017F;ind,<lb/>
außer daß man hier, wie an allen nicht ganz ordi¬<lb/>
na&#x0364;ren Wohnha&#x0364;u&#x017F;ern Londons, die Fen&#x017F;ter der er¬<lb/>
&#x017F;ten Etage mit ei&#x017F;engittrigen Balkonen verziert<lb/>
&#x017F;ieht und auch <hi rendition="#aq">au rez de chaussée</hi> ein &#x017F;chwarzes<lb/>
Gitterwerk findet, wodurch eine in die Erde gegra¬<lb/>
bene Kellerwohnung ge&#x017F;chu&#x0364;tzt wird. Auch findet<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0178] Alles erſcheint uns wie gemalt und mahnt uns an die glaͤnzenden und doch ſo beſcheidenen Bilder des Franz Mieris. Nur die Menſchen ſind nicht ſo heiter, wie auf dieſen hollaͤndiſchen Gemaͤlden, mit den ernſthafteſten Geſichtern verkaufen ſie die luſtigſten Spielſachen, und Zuſchnitt und Farbe ihrer Kleidung iſt gleichfoͤrmig wie ihre Haͤuſer. Auf der entgegengeſetzten Seite Londons, die man das Weſtende nennt, the west end of the town, und wo die vornehmere und minder beſchaͤf¬ tigte Welt lebt, iſt jene Einfoͤrmigkeit noch vor¬ herrſchender; doch giebt es hier ganze lange, gar breite Straßen, wo alle Haͤuſer groß wie Palaͤſte, aber aͤußerlich nichts weniger als ausgezeichnet ſind, außer daß man hier, wie an allen nicht ganz ordi¬ naͤren Wohnhaͤuſern Londons, die Fenſter der er¬ ſten Etage mit eiſengittrigen Balkonen verziert ſieht und auch au rez de chaussée ein ſchwarzes Gitterwerk findet, wodurch eine in die Erde gegra¬ bene Kellerwohnung geſchuͤtzt wird. Auch findet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/178
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/178>, abgerufen am 28.04.2024.