die Hofkomödie zu St. James! wird er doch nie davon belästigt und verwehrt es ihm ja niemand, wenn er in seinem Hause ebenfalls Komödie spielt, und seine Hausofficianten vor sich knieen läßt, und mit dem Strumpfband der Köchin tändelt -- honny soit qui mal y pense."
"Was die Deutschen betrifft, so bedürfen sie weder der Freyheit noch der Gleichheit. Sie sind ein speculatives Volk, Ideologen, Vor- und Nach¬ denker, Träumer, die nur in der Vergangenheit und in der Zukunft leben, und keine Gegenwart haben. Engländer und Franzosen haben eine Gegenwart, bei ihnen hat jeder Tag seinen Kampf und Gegen¬ kampf und seine Geschichte. Der Deutsche hat nichts, wofür er kämpfen sollte, und da er zu muth¬ maßen begann, daß es doch Dinge geben könne, deren Besitz wünschenswerth wäre, so haben wohl, weise seine Philosophen ihn gelehrt, an der Existenz solcher Dinge zu zweifeln. Es läßt sich nicht läug¬ nen, daß auch die Deutschen die Freyheit lieben.
die Hofkomoͤdie zu St. James! wird er doch nie davon belaͤſtigt und verwehrt es ihm ja niemand, wenn er in ſeinem Hauſe ebenfalls Komoͤdie ſpielt, und ſeine Hausofficianten vor ſich knieen laͤßt, und mit dem Strumpfband der Koͤchin taͤndelt — honny soit qui mal y pense.“
„Was die Deutſchen betrifft, ſo beduͤrfen ſie weder der Freyheit noch der Gleichheit. Sie ſind ein ſpeculatives Volk, Ideologen, Vor- und Nach¬ denker, Traͤumer, die nur in der Vergangenheit und in der Zukunft leben, und keine Gegenwart haben. Englaͤnder und Franzoſen haben eine Gegenwart, bei ihnen hat jeder Tag ſeinen Kampf und Gegen¬ kampf und ſeine Geſchichte. Der Deutſche hat nichts, wofuͤr er kaͤmpfen ſollte, und da er zu muth¬ maßen begann, daß es doch Dinge geben koͤnne, deren Beſitz wuͤnſchenswerth waͤre, ſo haben wohl, weiſe ſeine Philoſophen ihn gelehrt, an der Exiſtenz ſolcher Dinge zu zweifeln. Es laͤßt ſich nicht laͤug¬ nen, daß auch die Deutſchen die Freyheit lieben.
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die Hofkomoͤdie zu St. James! wird er doch nie
davon belaͤſtigt und verwehrt es ihm ja niemand,
wenn er in ſeinem Hauſe ebenfalls Komoͤdie ſpielt,
und ſeine Hausofficianten vor ſich knieen laͤßt, und
mit dem Strumpfband der Koͤchin taͤndelt — honny
soit qui mal y pense.“
„Was die Deutſchen betrifft, ſo beduͤrfen ſie
weder der Freyheit noch der Gleichheit. Sie ſind
ein ſpeculatives Volk, Ideologen, Vor- und Nach¬
denker, Traͤumer, die nur in der Vergangenheit und
in der Zukunft leben, und keine Gegenwart haben.
Englaͤnder und Franzoſen haben eine Gegenwart,
bei ihnen hat jeder Tag ſeinen Kampf und Gegen¬
kampf und ſeine Geſchichte. Der Deutſche hat
nichts, wofuͤr er kaͤmpfen ſollte, und da er zu muth¬
maßen begann, daß es doch Dinge geben koͤnne,
deren Beſitz wuͤnſchenswerth waͤre, ſo haben wohl,
weiſe ſeine Philoſophen ihn gelehrt, an der Exiſtenz
ſolcher Dinge zu zweifeln. Es laͤßt ſich nicht laͤug¬
nen, daß auch die Deutſchen die Freyheit lieben.
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/163>, abgerufen am 22.11.2024.
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