täglich neue Siege, in glänzenden Prozessionen, bey solchen Triumphen tragen sogar bonapartistische Ge¬ nerale ihr die Kerzen vor, die stolzesten Geister schwören zu ihrer Fahne, täglich werden Ungläu¬ bige bekehrt und getauft -- aber dies viele Wasser¬ aufgießen macht die Suppe nicht fetter, und die neuen Rekruten der Staatsreligion gleichen den Soldaten, die Fallstaf geworben -- sie füllen die Kirche. Von Aufopfrung ist gar nicht mehr die Rede, wie Kaufmannsdiener mit ihren Musterkar¬ ten, so reisen die Missionäre mit ihren Tractätchen und Bekehrungsbüchlein, es ist keine Gefahr mehr bey diesem Geschäfte, und es bewegt sich ganz in merkantilisch ökonomischen Formen.
Nur so lange die Religionen mit anderen zu rivalisiren haben, und weit mehr verfolgt werden als selbst verfolgen, sind sie herrlich und ehrenwerth, nur da giebts Begeisterung, Aufopferung, Märtyrer und Palmen. Wie schön, wie heilig lieblich, wie heimlich süß, war das Christenthum der ersten Jahr¬
taͤglich neue Siege, in glaͤnzenden Prozeſſionen, bey ſolchen Triumphen tragen ſogar bonapartiſtiſche Ge¬ nerale ihr die Kerzen vor, die ſtolzeſten Geiſter ſchwoͤren zu ihrer Fahne, taͤglich werden Unglaͤu¬ bige bekehrt und getauft — aber dies viele Waſſer¬ aufgießen macht die Suppe nicht fetter, und die neuen Rekruten der Staatsreligion gleichen den Soldaten, die Fallſtaf geworben — ſie fuͤllen die Kirche. Von Aufopfrung iſt gar nicht mehr die Rede, wie Kaufmannsdiener mit ihren Muſterkar¬ ten, ſo reiſen die Miſſionaͤre mit ihren Tractaͤtchen und Bekehrungsbuͤchlein, es iſt keine Gefahr mehr bey dieſem Geſchaͤfte, und es bewegt ſich ganz in merkantiliſch oͤkonomiſchen Formen.
Nur ſo lange die Religionen mit anderen zu rivaliſiren haben, und weit mehr verfolgt werden als ſelbſt verfolgen, ſind ſie herrlich und ehrenwerth, nur da giebts Begeiſterung, Aufopferung, Maͤrtyrer und Palmen. Wie ſchoͤn, wie heilig lieblich, wie heimlich ſuͤß, war das Chriſtenthum der erſten Jahr¬
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taͤglich neue Siege, in glaͤnzenden Prozeſſionen, bey
ſolchen Triumphen tragen ſogar bonapartiſtiſche Ge¬
nerale ihr die Kerzen vor, die ſtolzeſten Geiſter
ſchwoͤren zu ihrer Fahne, taͤglich werden Unglaͤu¬
bige bekehrt und getauft — aber dies viele Waſſer¬
aufgießen macht die Suppe nicht fetter, und die
neuen Rekruten der Staatsreligion gleichen den
Soldaten, die Fallſtaf geworben — ſie fuͤllen die
Kirche. Von Aufopfrung iſt gar nicht mehr die
Rede, wie Kaufmannsdiener mit ihren Muſterkar¬
ten, ſo reiſen die Miſſionaͤre mit ihren Tractaͤtchen
und Bekehrungsbuͤchlein, es iſt keine Gefahr mehr
bey dieſem Geſchaͤfte, und es bewegt ſich ganz in
merkantiliſch oͤkonomiſchen Formen.
Nur ſo lange die Religionen mit anderen zu
rivaliſiren haben, und weit mehr verfolgt werden
als ſelbſt verfolgen, ſind ſie herrlich und ehrenwerth,
nur da giebts Begeiſterung, Aufopferung, Maͤrtyrer
und Palmen. Wie ſchoͤn, wie heilig lieblich, wie
heimlich ſuͤß, war das Chriſtenthum der erſten Jahr¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/123>, abgerufen am 25.11.2024.
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