dere wäscht, die geistliche die weltliche, und umge¬ kehrt, und ein Wischwasch entsteht, der dem lieben Gott eine Thorheit und den Menschen ein Greul ist. Hat nun der Staat Gegner, so werden diese auch Feinde der Religion, die der Staat bevorrech¬ tet und die deßhalb seine Alliirte ist; und selbst der harmlose Gläubige wird mißtrauisch, wenn er in der Religion auch politische Absicht wittert. Am widerwärtigsten aber ist der Hochmuth der Priester, wenn sie für die Dienste, die sie dem Staate zu leisten glauben, auch auf dessen Unterstützung rech¬ nen dürfen, wenn sie für die geistige Fessel, die sie ihm, um die Völker zu binden, geliehen haben, auch über seine Bajonette verfügen können. Die Reli¬ gion kann nie schlimmer sinken als wenn sie solcher¬ maßen zur Staatsreligion erhoben wird, es geht dann gleichsam ihre innere Unschuld verloren, und sie wird so öffentlich stolz, wie eine deklarirte Mä¬ tresse. Freilich werden ihr dann mehr Huldigungen und Ehrfurchtsversicherungen dargebracht, sie feyert
dere waͤſcht, die geiſtliche die weltliche, und umge¬ kehrt, und ein Wiſchwaſch entſteht, der dem lieben Gott eine Thorheit und den Menſchen ein Greul iſt. Hat nun der Staat Gegner, ſo werden dieſe auch Feinde der Religion, die der Staat bevorrech¬ tet und die deßhalb ſeine Alliirte iſt; und ſelbſt der harmloſe Glaͤubige wird mißtrauiſch, wenn er in der Religion auch politiſche Abſicht wittert. Am widerwaͤrtigſten aber iſt der Hochmuth der Prieſter, wenn ſie fuͤr die Dienſte, die ſie dem Staate zu leiſten glauben, auch auf deſſen Unterſtuͤtzung rech¬ nen duͤrfen, wenn ſie fuͤr die geiſtige Feſſel, die ſie ihm, um die Voͤlker zu binden, geliehen haben, auch uͤber ſeine Bajonette verfuͤgen koͤnnen. Die Reli¬ gion kann nie ſchlimmer ſinken als wenn ſie ſolcher¬ maßen zur Staatsreligion erhoben wird, es geht dann gleichſam ihre innere Unſchuld verloren, und ſie wird ſo oͤffentlich ſtolz, wie eine deklarirte Maͤ¬ treſſe. Freilich werden ihr dann mehr Huldigungen und Ehrfurchtsverſicherungen dargebracht, ſie feyert
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dere waͤſcht, die geiſtliche die weltliche, und umge¬
kehrt, und ein Wiſchwaſch entſteht, der dem lieben
Gott eine Thorheit und den Menſchen ein Greul
iſt. Hat nun der Staat Gegner, ſo werden dieſe
auch Feinde der Religion, die der Staat bevorrech¬
tet und die deßhalb ſeine Alliirte iſt; und ſelbſt der
harmloſe Glaͤubige wird mißtrauiſch, wenn er in
der Religion auch politiſche Abſicht wittert. Am
widerwaͤrtigſten aber iſt der Hochmuth der Prieſter,
wenn ſie fuͤr die Dienſte, die ſie dem Staate zu
leiſten glauben, auch auf deſſen Unterſtuͤtzung rech¬
nen duͤrfen, wenn ſie fuͤr die geiſtige Feſſel, die ſie
ihm, um die Voͤlker zu binden, geliehen haben, auch
uͤber ſeine Bajonette verfuͤgen koͤnnen. Die Reli¬
gion kann nie ſchlimmer ſinken als wenn ſie ſolcher¬
maßen zur Staatsreligion erhoben wird, es geht
dann gleichſam ihre innere Unſchuld verloren, und
ſie wird ſo oͤffentlich ſtolz, wie eine deklarirte Maͤ¬
treſſe. Freilich werden ihr dann mehr Huldigungen
und Ehrfurchtsverſicherungen dargebracht, ſie feyert
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/122>, abgerufen am 25.11.2024.
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