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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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Und so stand sie, wie ich jetzt stehe, und hielt
den Becher an die Lippen, und bey den Worten:

Weile, Tybalt!
Ich komme Romeo! Dies trink ich Dir.


Da leerte sie den Becher --

Wohl bekomme es Ihnen, Herr Gumpel!
sprach Hyazinth mit feyerlichem Tone; denn der
Markese hatte in nachahmender Begeisterung das
Glas ausgetrunken, und sich, erschöpft von der
Deklamazion, auf das Sopha hingeworfen.

Er verharrte jedoch nicht lange in dieser
Lage; denn es klopfte plötzlich jemand an die
Thüre, und herein trat Lady Maxfields kleiner
Jokey, der dem Markese, mit lächelnder Verbeu¬
gung, ein Billet überreichte und sich gleich wieder
empfahl. Hastig erbrach jener das Billet; wäh¬
rend er las, leuchteten Nase und Augen vor
Entzücken, jedoch plötzlich überflog eine Geister¬
blässe sein ganzes Gesicht, Bestürzung zuckte in
jeder Muskel, mit Verzweiflungsgeberden sprang

Und ſo ſtand ſie, wie ich jetzt ſtehe, und hielt
den Becher an die Lippen, und bey den Worten:

Weile, Tybalt!
Ich komme Romeo! Dies trink ich Dir.


Da leerte ſie den Becher —

Wohl bekomme es Ihnen, Herr Gumpel!
ſprach Hyazinth mit feyerlichem Tone; denn der
Markeſe hatte in nachahmender Begeiſterung das
Glas ausgetrunken, und ſich, erſchoͤpft von der
Deklamazion, auf das Sopha hingeworfen.

Er verharrte jedoch nicht lange in dieſer
Lage; denn es klopfte ploͤtzlich jemand an die
Thuͤre, und herein trat Lady Maxfields kleiner
Jokey, der dem Markeſe, mit laͤchelnder Verbeu¬
gung, ein Billet uͤberreichte und ſich gleich wieder
empfahl. Haſtig erbrach jener das Billet; waͤh¬
rend er las, leuchteten Naſe und Augen vor
Entzuͤcken, jedoch ploͤtzlich uͤberflog eine Geiſter¬
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[327/0335] Und ſo ſtand ſie, wie ich jetzt ſtehe, und hielt den Becher an die Lippen, und bey den Worten: Weile, Tybalt! Ich komme Romeo! Dies trink ich Dir. Da leerte ſie den Becher — Wohl bekomme es Ihnen, Herr Gumpel! ſprach Hyazinth mit feyerlichem Tone; denn der Markeſe hatte in nachahmender Begeiſterung das Glas ausgetrunken, und ſich, erſchoͤpft von der Deklamazion, auf das Sopha hingeworfen. Er verharrte jedoch nicht lange in dieſer Lage; denn es klopfte ploͤtzlich jemand an die Thuͤre, und herein trat Lady Maxfields kleiner Jokey, der dem Markeſe, mit laͤchelnder Verbeu¬ gung, ein Billet uͤberreichte und ſich gleich wieder empfahl. Haſtig erbrach jener das Billet; waͤh¬ rend er las, leuchteten Naſe und Augen vor Entzuͤcken, jedoch ploͤtzlich uͤberflog eine Geiſter¬ blaͤſſe ſein ganzes Geſicht, Beſtuͤrzung zuckte in jeder Muskel, mit Verzweiflungsgeberden ſprang

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/335>, abgerufen am 10.05.2024.