das kupferne Cruzifix herab, kam damit zu uns zurück, und putzte es mit demselben Lappen und mit derselben spuckenden Gewissenhaftigkeit, wo¬ mit er eben auch die Sporen seines Herrn geputzt hatte. Dieser aber war wie aufgelöst in Hitze und weicher Stimmung; statt eines Oberklei¬ des trug er einen weiten, blauseidenen Domino mit silbernen Frangen, und seine Nase schimmerte wehmüthig, wie ein verliebter Louisd'or. O Jesus! -- seufzte er, als er sich in die Kissen des Sophas sinken ließ -- finden Sie nicht, Herr Doktor, daß ich heute Abend sehr schwär¬ merisch aussehe? Ich bin sehr bewegt, mein Gemüth ist aufgelöst, ich ahne eine höhere Welt,
Das Auge sieht den Himmel offen, Es schwelgt das Herz in Seligkeit!
Herr Gumpel, Sie müssen einnehmen -- un¬ terbrach Hyazinth die pathetische Deklamazion -- das Blut in Ihren Eingeweiden ist wieder schwin¬ delig, ich weiß was Ihnen fehlt --
das kupferne Cruzifix herab, kam damit zu uns zuruͤck, und putzte es mit demſelben Lappen und mit derſelben ſpuckenden Gewiſſenhaftigkeit, wo¬ mit er eben auch die Sporen ſeines Herrn geputzt hatte. Dieſer aber war wie aufgeloͤſt in Hitze und weicher Stimmung; ſtatt eines Oberklei¬ des trug er einen weiten, blauſeidenen Domino mit ſilbernen Frangen, und ſeine Naſe ſchimmerte wehmuͤthig, wie ein verliebter Louisd'or. O Jeſus! — ſeufzte er, als er ſich in die Kiſſen des Sophas ſinken ließ — finden Sie nicht, Herr Doktor, daß ich heute Abend ſehr ſchwaͤr¬ meriſch ausſehe? Ich bin ſehr bewegt, mein Gemuͤth iſt aufgeloͤſt, ich ahne eine hoͤhere Welt,
Das Auge ſieht den Himmel offen, Es ſchwelgt das Herz in Seligkeit!
Herr Gumpel, Sie muͤſſen einnehmen — un¬ terbrach Hyazinth die pathetiſche Deklamazion — das Blut in Ihren Eingeweiden iſt wieder ſchwin¬ delig, ich weiß was Ihnen fehlt —
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das kupferne Cruzifix herab, kam damit zu uns
zuruͤck, und putzte es mit demſelben Lappen und
mit derſelben ſpuckenden Gewiſſenhaftigkeit, wo¬
mit er eben auch die Sporen ſeines Herrn geputzt
hatte. Dieſer aber war wie aufgeloͤſt in Hitze
und weicher Stimmung; ſtatt eines Oberklei¬
des trug er einen weiten, blauſeidenen Domino
mit ſilbernen Frangen, und ſeine Naſe ſchimmerte
wehmuͤthig, wie ein verliebter Louisd'or. O
Jeſus! — ſeufzte er, als er ſich in die Kiſſen
des Sophas ſinken ließ — finden Sie nicht,
Herr Doktor, daß ich heute Abend ſehr ſchwaͤr¬
meriſch ausſehe? Ich bin ſehr bewegt, mein
Gemuͤth iſt aufgeloͤſt, ich ahne eine hoͤhere Welt,
Das Auge ſieht den Himmel offen,
Es ſchwelgt das Herz in Seligkeit!
Herr Gumpel, Sie muͤſſen einnehmen — un¬
terbrach Hyazinth die pathetiſche Deklamazion —
das Blut in Ihren Eingeweiden iſt wieder ſchwin¬
delig, ich weiß was Ihnen fehlt —
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/323>, abgerufen am 24.11.2024.
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