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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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Du weißt nicht -- seufzte der Herr.

Ich sage Ihnen, ich weiß -- erwiederte der
Diener, und nickte mit seinem gutmüthig bethä¬
tigenden Gesichtchen -- ich kenne Sie ganz durch
und durch, ich weiß. Sie sind ganz das Gegen¬
theil von mir, wenn Sie Durst haben, habe
ich Hunger, wenn Sie Hunger haben, habe ich
Durst; Sie sind zu korpulent und ich bin zu
mager, Sie haben viel Einbildung und ich habe
desto mehr Geschäftssinn, ich bin ein Praktikus
und Sie sind ein Diarrhetikus, kurz und gut,
Sie sind ganz mein Antipodex.

Ach Julia! -- seufzte Gumpelino -- wär'
ich der gelblederne Handschuh doch auf deiner
Hand und küßte deine Wange! Haben Sie,
Herr Doktor, jemals die Crelinger in Romeo
und Julia gesehen?

Freylich, und meine ganze Seele ist noch da¬
von entzückt --

Du weißt nicht — ſeufzte der Herr.

Ich ſage Ihnen, ich weiß — erwiederte der
Diener, und nickte mit ſeinem gutmuͤthig bethaͤ¬
tigenden Geſichtchen — ich kenne Sie ganz durch
und durch, ich weiß. Sie ſind ganz das Gegen¬
theil von mir, wenn Sie Durſt haben, habe
ich Hunger, wenn Sie Hunger haben, habe ich
Durſt; Sie ſind zu korpulent und ich bin zu
mager, Sie haben viel Einbildung und ich habe
deſto mehr Geſchaͤftsſinn, ich bin ein Praktikus
und Sie ſind ein Diarrhetikus, kurz und gut,
Sie ſind ganz mein Antipodex.

Ach Julia! — ſeufzte Gumpelino — waͤr'
ich der gelblederne Handſchuh doch auf deiner
Hand und kuͤßte deine Wange! Haben Sie,
Herr Doktor, jemals die Crelinger in Romeo
und Julia geſehen?

Freylich, und meine ganze Seele iſt noch da¬
von entzuͤckt —

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[316/0324] Du weißt nicht — ſeufzte der Herr. Ich ſage Ihnen, ich weiß — erwiederte der Diener, und nickte mit ſeinem gutmuͤthig bethaͤ¬ tigenden Geſichtchen — ich kenne Sie ganz durch und durch, ich weiß. Sie ſind ganz das Gegen¬ theil von mir, wenn Sie Durſt haben, habe ich Hunger, wenn Sie Hunger haben, habe ich Durſt; Sie ſind zu korpulent und ich bin zu mager, Sie haben viel Einbildung und ich habe deſto mehr Geſchaͤftsſinn, ich bin ein Praktikus und Sie ſind ein Diarrhetikus, kurz und gut, Sie ſind ganz mein Antipodex. Ach Julia! — ſeufzte Gumpelino — waͤr' ich der gelblederne Handſchuh doch auf deiner Hand und kuͤßte deine Wange! Haben Sie, Herr Doktor, jemals die Crelinger in Romeo und Julia geſehen? Freylich, und meine ganze Seele iſt noch da¬ von entzuͤckt —

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/324>, abgerufen am 24.11.2024.