Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie haben Recht, Herr Doktor, ich habe in
der Bildung Fortschritte gemacht wie eine Riesin.
Ich weiß wirklich nicht, wenn ich nach Hamburg
zurückkehre, mit wem ich dort umgehn soll; und
was die Religion anbelangt, so weiß ich was ich
thue. Vor der Hand aber kann ich mich mit
dem neuen israelitischen Tempel noch behelfen;
ich meine den reinen Mosaik-Gottesdienst, mit
orthographischen deutschen Gesängen und gerühr¬
ten Predigten, und einigen Schwärmereychen,
die eine Religion durchaus nöthig hat. So wahr
mir Gott alles Guts gebe, für mich verlange
ich jetzt keine bessere Religion, und sie verdient,
daß man sie unterstützt. Ich will das meinige
thun, und bin ich wieder in Hamburg, so will
ich alle Sonnabend, wenn kein Ziehungstag ist,
in den neuen Religion-Tempel gehen. Es giebt
leider Menschen, die diesem neuen israelitischen
Gottesdienst einen schlechten Namen machen, und
behaupten, er gäbe, mit Respekt zu sagen, Ge¬

Sie haben Recht, Herr Doktor, ich habe in
der Bildung Fortſchritte gemacht wie eine Rieſin.
Ich weiß wirklich nicht, wenn ich nach Hamburg
zuruͤckkehre, mit wem ich dort umgehn ſoll; und
was die Religion anbelangt, ſo weiß ich was ich
thue. Vor der Hand aber kann ich mich mit
dem neuen iſraelitiſchen Tempel noch behelfen;
ich meine den reinen Moſaik-Gottesdienſt, mit
orthographiſchen deutſchen Geſaͤngen und geruͤhr¬
ten Predigten, und einigen Schwaͤrmereychen,
die eine Religion durchaus noͤthig hat. So wahr
mir Gott alles Guts gebe, fuͤr mich verlange
ich jetzt keine beſſere Religion, und ſie verdient,
daß man ſie unterſtuͤtzt. Ich will das meinige
thun, und bin ich wieder in Hamburg, ſo will
ich alle Sonnabend, wenn kein Ziehungstag iſt,
in den neuen Religion-Tempel gehen. Es giebt
leider Menſchen, die dieſem neuen iſraelitiſchen
Gottesdienſt einen ſchlechten Namen machen, und
behaupten, er gaͤbe, mit Reſpekt zu ſagen, Ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0319" n="311"/>
          <p>Sie haben Recht, Herr Doktor, ich habe in<lb/>
der Bildung Fort&#x017F;chritte gemacht wie eine Rie&#x017F;in.<lb/>
Ich weiß wirklich nicht, wenn ich nach Hamburg<lb/>
zuru&#x0364;ckkehre, mit wem ich dort umgehn &#x017F;oll; und<lb/>
was die Religion anbelangt, &#x017F;o weiß ich was ich<lb/>
thue. Vor der Hand aber kann ich mich mit<lb/>
dem neuen i&#x017F;raeliti&#x017F;chen Tempel noch behelfen;<lb/>
ich meine den reinen Mo&#x017F;aik-Gottesdien&#x017F;t, mit<lb/>
orthographi&#x017F;chen deut&#x017F;chen Ge&#x017F;a&#x0364;ngen und geru&#x0364;hr¬<lb/>
ten Predigten, und einigen Schwa&#x0364;rmereychen,<lb/>
die eine Religion durchaus no&#x0364;thig hat. So wahr<lb/>
mir Gott alles Guts gebe, fu&#x0364;r mich verlange<lb/>
ich jetzt keine be&#x017F;&#x017F;ere Religion, und &#x017F;ie verdient,<lb/>
daß man &#x017F;ie unter&#x017F;tu&#x0364;tzt. Ich will das meinige<lb/>
thun, und bin ich wieder in Hamburg, &#x017F;o will<lb/>
ich alle Sonnabend, wenn kein Ziehungstag i&#x017F;t,<lb/>
in den neuen Religion-Tempel gehen. Es giebt<lb/>
leider Men&#x017F;chen, die die&#x017F;em neuen i&#x017F;raeliti&#x017F;chen<lb/>
Gottesdien&#x017F;t einen &#x017F;chlechten Namen machen, und<lb/>
behaupten, er ga&#x0364;be, mit Re&#x017F;pekt zu &#x017F;agen, Ge¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0319] Sie haben Recht, Herr Doktor, ich habe in der Bildung Fortſchritte gemacht wie eine Rieſin. Ich weiß wirklich nicht, wenn ich nach Hamburg zuruͤckkehre, mit wem ich dort umgehn ſoll; und was die Religion anbelangt, ſo weiß ich was ich thue. Vor der Hand aber kann ich mich mit dem neuen iſraelitiſchen Tempel noch behelfen; ich meine den reinen Moſaik-Gottesdienſt, mit orthographiſchen deutſchen Geſaͤngen und geruͤhr¬ ten Predigten, und einigen Schwaͤrmereychen, die eine Religion durchaus noͤthig hat. So wahr mir Gott alles Guts gebe, fuͤr mich verlange ich jetzt keine beſſere Religion, und ſie verdient, daß man ſie unterſtuͤtzt. Ich will das meinige thun, und bin ich wieder in Hamburg, ſo will ich alle Sonnabend, wenn kein Ziehungstag iſt, in den neuen Religion-Tempel gehen. Es giebt leider Menſchen, die dieſem neuen iſraelitiſchen Gottesdienſt einen ſchlechten Namen machen, und behaupten, er gaͤbe, mit Reſpekt zu ſagen, Ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/319
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/319>, abgerufen am 10.05.2024.