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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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legenheit zu einen Schisma -- aber ich kann
Ihnen versichern, es ist eine gute reinliche Reli¬
gion, noch etwas zu gut für den gemeinen Mann,
für den die altjüdische Religion vielleicht noch
immer sehr nützlich ist. Der gemeine Mann muß
eine Dummheit haben, worin er sich glücklich
fühlt, und er fühlt sich glücklich in seiner Dumm¬
heit. So ein alter Jude mit einem langen Bart
und zerrissenem Rock, und der kein orthographisch
Wort sprechen kann und sogar ein bischen grin¬
dig ist, fühlt sich vielleicht innerlich glücklicher als
ich mich mit all meiner Bildung. Da wohnt in
Hamburg, im Bäckerbreitengang, auf einem Sahl,
ein Mann, der heißt Moses Lump, man nennt
ihn auch Moses Lümpchen, oder kurzweg Lümp¬
chen; der läuft die ganze Woche herum, in Wind
und Wetter, mit seinem Packen auf dem Rücken,
um seine paar Mark zu verdienen; wenn der
nun Freytag Abends nach Hause kömmt, findet
er die Lampe mit sieben Lichtern angezündet, den

legenheit zu einen Schisma — aber ich kann
Ihnen verſichern, es iſt eine gute reinliche Reli¬
gion, noch etwas zu gut fuͤr den gemeinen Mann,
fuͤr den die altjuͤdiſche Religion vielleicht noch
immer ſehr nuͤtzlich iſt. Der gemeine Mann muß
eine Dummheit haben, worin er ſich gluͤcklich
fuͤhlt, und er fuͤhlt ſich gluͤcklich in ſeiner Dumm¬
heit. So ein alter Jude mit einem langen Bart
und zerriſſenem Rock, und der kein orthographiſch
Wort ſprechen kann und ſogar ein bischen grin¬
dig iſt, fuͤhlt ſich vielleicht innerlich gluͤcklicher als
ich mich mit all meiner Bildung. Da wohnt in
Hamburg, im Baͤckerbreitengang, auf einem Sahl,
ein Mann, der heißt Moſes Lump, man nennt
ihn auch Moſes Luͤmpchen, oder kurzweg Luͤmp¬
chen; der laͤuft die ganze Woche herum, in Wind
und Wetter, mit ſeinem Packen auf dem Ruͤcken,
um ſeine paar Mark zu verdienen; wenn der
nun Freytag Abends nach Hauſe koͤmmt, findet
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[312/0320] legenheit zu einen Schisma — aber ich kann Ihnen verſichern, es iſt eine gute reinliche Reli¬ gion, noch etwas zu gut fuͤr den gemeinen Mann, fuͤr den die altjuͤdiſche Religion vielleicht noch immer ſehr nuͤtzlich iſt. Der gemeine Mann muß eine Dummheit haben, worin er ſich gluͤcklich fuͤhlt, und er fuͤhlt ſich gluͤcklich in ſeiner Dumm¬ heit. So ein alter Jude mit einem langen Bart und zerriſſenem Rock, und der kein orthographiſch Wort ſprechen kann und ſogar ein bischen grin¬ dig iſt, fuͤhlt ſich vielleicht innerlich gluͤcklicher als ich mich mit all meiner Bildung. Da wohnt in Hamburg, im Baͤckerbreitengang, auf einem Sahl, ein Mann, der heißt Moſes Lump, man nennt ihn auch Moſes Luͤmpchen, oder kurzweg Luͤmp¬ chen; der laͤuft die ganze Woche herum, in Wind und Wetter, mit ſeinem Packen auf dem Ruͤcken, um ſeine paar Mark zu verdienen; wenn der nun Freytag Abends nach Hauſe koͤmmt, findet er die Lampe mit ſieben Lichtern angezuͤndet, den

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/320>, abgerufen am 24.11.2024.