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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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uns bedünken, als sey die Stadt eine große
Völkerherberge, und gleich wie man in Wirths¬
häusern seinen Namen auf Wand und Fenster
zu schreiben pflegt, so habe dort jedes Volk die
Spuren seiner Anwesenheit zurückgelassen, freylich
oft nicht in der leserlichsten Schrift, da mancher
deutsche Stamm noch nicht schreiben konnte,
und sich damit behelfen mußte, zum Andenken
etwas zu zertrümmern, welches auch hinreichend
war, da diese Trümmer noch deutlicher sprechen,
als zierliche Buchstaben. Die Barbaren, welche
jetzt die alte Herberge bezogen haben, werden nicht
ermangeln, eben solche Denkmäler ihrer holden
Gegenwart zu hinterlassen, da es ihnen an Bild¬
hauern und Dichtern fehlt, um sich durch mildere
Mittel im Andenken der Menschen zu erhalten.

Ich blieb nur einen Tag in Verona, in be¬
ständiger Verwunderung ob des nie Gesehenen,
anstarrend jetzt die alterthümlichen Gebäude,

uns beduͤnken, als ſey die Stadt eine große
Voͤlkerherberge, und gleich wie man in Wirths¬
haͤuſern ſeinen Namen auf Wand und Fenſter
zu ſchreiben pflegt, ſo habe dort jedes Volk die
Spuren ſeiner Anweſenheit zuruͤckgelaſſen, freylich
oft nicht in der leſerlichſten Schrift, da mancher
deutſche Stamm noch nicht ſchreiben konnte,
und ſich damit behelfen mußte, zum Andenken
etwas zu zertruͤmmern, welches auch hinreichend
war, da dieſe Truͤmmer noch deutlicher ſprechen,
als zierliche Buchſtaben. Die Barbaren, welche
jetzt die alte Herberge bezogen haben, werden nicht
ermangeln, eben ſolche Denkmaͤler ihrer holden
Gegenwart zu hinterlaſſen, da es ihnen an Bild¬
hauern und Dichtern fehlt, um ſich durch mildere
Mittel im Andenken der Menſchen zu erhalten.

Ich blieb nur einen Tag in Verona, in be¬
ſtaͤndiger Verwunderung ob des nie Geſehenen,
anſtarrend jetzt die alterthuͤmlichen Gebaͤude,

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[136/0144] uns beduͤnken, als ſey die Stadt eine große Voͤlkerherberge, und gleich wie man in Wirths¬ haͤuſern ſeinen Namen auf Wand und Fenſter zu ſchreiben pflegt, ſo habe dort jedes Volk die Spuren ſeiner Anweſenheit zuruͤckgelaſſen, freylich oft nicht in der leſerlichſten Schrift, da mancher deutſche Stamm noch nicht ſchreiben konnte, und ſich damit behelfen mußte, zum Andenken etwas zu zertruͤmmern, welches auch hinreichend war, da dieſe Truͤmmer noch deutlicher ſprechen, als zierliche Buchſtaben. Die Barbaren, welche jetzt die alte Herberge bezogen haben, werden nicht ermangeln, eben ſolche Denkmaͤler ihrer holden Gegenwart zu hinterlaſſen, da es ihnen an Bild¬ hauern und Dichtern fehlt, um ſich durch mildere Mittel im Andenken der Menſchen zu erhalten. Ich blieb nur einen Tag in Verona, in be¬ ſtaͤndiger Verwunderung ob des nie Geſehenen, anſtarrend jetzt die alterthuͤmlichen Gebaͤude,

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/144>, abgerufen am 23.11.2024.