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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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ley süßgebackene Gelüste bekommen, und am
Ende sogar Kinder gebären, die den Badegä¬
sten ähnlich sehen, so ist das leicht zu erklären.
Ich will hier durchaus auf kein unsittliches
Verhältniß anspielen. Die Tugend der Insu¬
lanerinnen wird durch ihre Häßlichkeit, und gar
besonders durch ihren Fischgeruch, der mir we¬
nigstens unerträglich war, vor der Hand ge¬
schützt. Auch hat man, für die Badezeit,
eine Person vom festen Lande hierher verpflanzt,
die alle Sünden der fremden Gäste in sich
aufnehmen, und dadurch die Insulanerinnen vor
allen schlimmen Einflüssen sichern soll. Allein,
das ist eine schlechte Maßregel, die nicht für
eine kleine Insel, sondern allenfalls für eine
große Seestadt paßt, wo die öffentlichen Per¬
sonen gleichsam die Bollwerke und Blitzablei¬
ter sind, wodurch die Moralität der Bürgers¬
töchter geschützt wird; wie man mir denn
wirklich in Hamburg ein breites Weibsbild ge¬
zeigt hat, das solchermaßen den halben Wand¬

ley ſuͤßgebackene Geluͤſte bekommen, und am
Ende ſogar Kinder gebaͤren, die den Badegaͤ¬
ſten aͤhnlich ſehen, ſo iſt das leicht zu erklaͤren.
Ich will hier durchaus auf kein unſittliches
Verhaͤltniß anſpielen. Die Tugend der Inſu¬
lanerinnen wird durch ihre Haͤßlichkeit, und gar
beſonders durch ihren Fiſchgeruch, der mir we¬
nigſtens unertraͤglich war, vor der Hand ge¬
ſchuͤtzt. Auch hat man, fuͤr die Badezeit,
eine Perſon vom feſten Lande hierher verpflanzt,
die alle Suͤnden der fremden Gaͤſte in ſich
aufnehmen, und dadurch die Inſulanerinnen vor
allen ſchlimmen Einfluͤſſen ſichern ſoll. Allein,
das iſt eine ſchlechte Maßregel, die nicht fuͤr
eine kleine Inſel, ſondern allenfalls fuͤr eine
große Seeſtadt paßt, wo die oͤffentlichen Per¬
ſonen gleichſam die Bollwerke und Blitzablei¬
ter ſind, wodurch die Moralitaͤt der Buͤrgers¬
toͤchter geſchuͤtzt wird; wie man mir denn
wirklich in Hamburg ein breites Weibsbild ge¬
zeigt hat, das ſolchermaßen den halben Wand¬

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[52/0060] ley ſuͤßgebackene Geluͤſte bekommen, und am Ende ſogar Kinder gebaͤren, die den Badegaͤ¬ ſten aͤhnlich ſehen, ſo iſt das leicht zu erklaͤren. Ich will hier durchaus auf kein unſittliches Verhaͤltniß anſpielen. Die Tugend der Inſu¬ lanerinnen wird durch ihre Haͤßlichkeit, und gar beſonders durch ihren Fiſchgeruch, der mir we¬ nigſtens unertraͤglich war, vor der Hand ge¬ ſchuͤtzt. Auch hat man, fuͤr die Badezeit, eine Perſon vom feſten Lande hierher verpflanzt, die alle Suͤnden der fremden Gaͤſte in ſich aufnehmen, und dadurch die Inſulanerinnen vor allen ſchlimmen Einfluͤſſen ſichern ſoll. Allein, das iſt eine ſchlechte Maßregel, die nicht fuͤr eine kleine Inſel, ſondern allenfalls fuͤr eine große Seeſtadt paßt, wo die oͤffentlichen Per¬ ſonen gleichſam die Bollwerke und Blitzablei¬ ter ſind, wodurch die Moralitaͤt der Buͤrgers¬ toͤchter geſchuͤtzt wird; wie man mir denn wirklich in Hamburg ein breites Weibsbild ge¬ zeigt hat, das ſolchermaßen den halben Wand¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/60>, abgerufen am 30.04.2024.