schöne Comtesse? Zypressenwuchs, Hyazinten¬ locken, der Mund ist Ros' und Nachtigall zu gleicher Zeit, die ganze Frau ist eine Blume, und wie eine arme Blume, die zwischen zwey Blättern Löschpapier gepreßt wird, steht sie da zwischen ihren grauen Tanten. Der Herr Ge¬ mahl, der solche Blumen statt Disteln verzehrt, um uns glauben zu machen, er sey kein Esel, mußte heute zu Hause bleiben, hat den Schnup¬ fen, liegt auf dem Sopha, ich habe ihn unter¬ halten müssen, wir schwatzten zwey Stunden lang von der neuen Liturgie, und die Zunge ist mir ordentlich dünner geworden durch das viele Schwatzen und die Lippen thun mir weh vor lauter Lächeln --" Bey diesen Worten zog sich um die Mundwinkel des Kammermusici ein sauerhöfliches Lächeln, das er mit dem feinen Zünglein wieder fortleckte, und plötzlich rief er: "die Liturgie! die Liturgie! sie wird auf den Flügeln des rothen Adlers dritter Classe von Kirchthurm zu Kirchthurm fliegen, jusqu'a la
ſchoͤne Comteſſe? Zypreſſenwuchs, Hyazinten¬ locken, der Mund iſt Roſ' und Nachtigall zu gleicher Zeit, die ganze Frau iſt eine Blume, und wie eine arme Blume, die zwiſchen zwey Blaͤttern Loͤſchpapier gepreßt wird, ſteht ſie da zwiſchen ihren grauen Tanten. Der Herr Ge¬ mahl, der ſolche Blumen ſtatt Diſteln verzehrt, um uns glauben zu machen, er ſey kein Eſel, mußte heute zu Hauſe bleiben, hat den Schnup¬ fen, liegt auf dem Sopha, ich habe ihn unter¬ halten muͤſſen, wir ſchwatzten zwey Stunden lang von der neuen Liturgie, und die Zunge iſt mir ordentlich duͤnner geworden durch das viele Schwatzen und die Lippen thun mir weh vor lauter Laͤcheln —“ Bey dieſen Worten zog ſich um die Mundwinkel des Kammermuſici ein ſauerhoͤfliches Laͤcheln, das er mit dem feinen Zuͤnglein wieder fortleckte, und ploͤtzlich rief er: „die Liturgie! die Liturgie! ſie wird auf den Fluͤgeln des rothen Adlers dritter Claſſe von Kirchthurm zu Kirchthurm fliegen, jusqu'à la
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0330"n="322"/>ſchoͤne Comteſſe? Zypreſſenwuchs, Hyazinten¬<lb/>
locken, der Mund iſt Roſ' und Nachtigall zu<lb/>
gleicher Zeit, die ganze Frau iſt eine Blume,<lb/>
und wie eine arme Blume, die zwiſchen zwey<lb/>
Blaͤttern Loͤſchpapier gepreßt wird, ſteht ſie da<lb/>
zwiſchen ihren grauen Tanten. Der Herr Ge¬<lb/>
mahl, der ſolche Blumen ſtatt Diſteln verzehrt,<lb/>
um uns glauben zu machen, er ſey kein Eſel,<lb/>
mußte heute zu Hauſe bleiben, hat den Schnup¬<lb/>
fen, liegt auf dem Sopha, ich habe ihn unter¬<lb/>
halten muͤſſen, wir ſchwatzten zwey Stunden<lb/>
lang von der neuen Liturgie, und die Zunge iſt<lb/>
mir ordentlich duͤnner geworden durch das viele<lb/>
Schwatzen und die Lippen thun mir weh vor<lb/>
lauter Laͤcheln —“ Bey dieſen Worten zog<lb/>ſich um die Mundwinkel des Kammermuſici ein<lb/>ſauerhoͤfliches Laͤcheln, das er mit dem feinen<lb/>
Zuͤnglein wieder fortleckte, und ploͤtzlich rief er:<lb/>„die Liturgie! die Liturgie! ſie wird auf den<lb/>
Fluͤgeln des rothen Adlers dritter Claſſe von<lb/>
Kirchthurm zu Kirchthurm fliegen, <hirendition="#aq">jusqu'à la<lb/></hi></p></div></div></div></body></text></TEI>
[322/0330]
ſchoͤne Comteſſe? Zypreſſenwuchs, Hyazinten¬
locken, der Mund iſt Roſ' und Nachtigall zu
gleicher Zeit, die ganze Frau iſt eine Blume,
und wie eine arme Blume, die zwiſchen zwey
Blaͤttern Loͤſchpapier gepreßt wird, ſteht ſie da
zwiſchen ihren grauen Tanten. Der Herr Ge¬
mahl, der ſolche Blumen ſtatt Diſteln verzehrt,
um uns glauben zu machen, er ſey kein Eſel,
mußte heute zu Hauſe bleiben, hat den Schnup¬
fen, liegt auf dem Sopha, ich habe ihn unter¬
halten muͤſſen, wir ſchwatzten zwey Stunden
lang von der neuen Liturgie, und die Zunge iſt
mir ordentlich duͤnner geworden durch das viele
Schwatzen und die Lippen thun mir weh vor
lauter Laͤcheln —“ Bey dieſen Worten zog
ſich um die Mundwinkel des Kammermuſici ein
ſauerhoͤfliches Laͤcheln, das er mit dem feinen
Zuͤnglein wieder fortleckte, und ploͤtzlich rief er:
„die Liturgie! die Liturgie! ſie wird auf den
Fluͤgeln des rothen Adlers dritter Claſſe von
Kirchthurm zu Kirchthurm fliegen, jusqu'à la
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/330>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.