Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

gesunken war; wie man denn überall sieht, daß
die Menschen, wenn sie einmal im Sinken sind,
wie nach dem newtonschen Gesetze, immer ent¬
setzlichschneller und schneller in's Elend herab¬
fallen. Wer mir aber gar nicht verändert schien,
das war der kleine Baron, der lustig wie sonst
durch den Hofgarten tänzelte, mit der einen
Hand den linken Rockschooß in der Höhe hal¬
tend, mit der andern Hand sein dünnes Rohr¬
stöckchen hin und herschwingend; es war noch
immer dasselbe freundliche Gesichtchen, dessen
Rosenröthe sich nach der Nase hin konzentrirt,
es war noch immer das alte Kegelhütchen, es
war noch immer das alte Zöpfchen, nur daß
aus diesem jetzt einige weiße Härchen, statt
der ehemaligen schwarzen Härchen hervor¬
kamen. Aber so vergnügt er auch aussah, so
wußte ich dennoch, daß der arme Baron un¬
terdessen viel Kummer ausgestanden hatte, sein
Gesichtchen wollte es mir verbergen, aber die
weißen Härchen seines Zöpfchens haben es mir

geſunken war; wie man denn uͤberall ſieht, daß
die Menſchen, wenn ſie einmal im Sinken ſind,
wie nach dem newtonſchen Geſetze, immer ent¬
ſetzlichſchneller und ſchneller in's Elend herab¬
fallen. Wer mir aber gar nicht veraͤndert ſchien,
das war der kleine Baron, der luſtig wie ſonſt
durch den Hofgarten taͤnzelte, mit der einen
Hand den linken Rockſchooß in der Hoͤhe hal¬
tend, mit der andern Hand ſein duͤnnes Rohr¬
ſtoͤckchen hin und herſchwingend; es war noch
immer daſſelbe freundliche Geſichtchen, deſſen
Roſenroͤthe ſich nach der Naſe hin konzentrirt,
es war noch immer das alte Kegelhuͤtchen, es
war noch immer das alte Zoͤpfchen, nur daß
aus dieſem jetzt einige weiße Haͤrchen, ſtatt
der ehemaligen ſchwarzen Haͤrchen hervor¬
kamen. Aber ſo vergnuͤgt er auch ausſah, ſo
wußte ich dennoch, daß der arme Baron un¬
terdeſſen viel Kummer ausgeſtanden hatte, ſein
Geſichtchen wollte es mir verbergen, aber die
weißen Haͤrchen ſeines Zoͤpfchens haben es mir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0223" n="215"/>
ge&#x017F;unken war; wie man denn u&#x0364;berall &#x017F;ieht, daß<lb/>
die Men&#x017F;chen, wenn &#x017F;ie einmal im Sinken &#x017F;ind,<lb/>
wie nach dem newton&#x017F;chen Ge&#x017F;etze, immer ent¬<lb/>
&#x017F;etzlich&#x017F;chneller und &#x017F;chneller in's Elend herab¬<lb/>
fallen. Wer mir aber gar nicht vera&#x0364;ndert &#x017F;chien,<lb/>
das war der kleine Baron, der lu&#x017F;tig wie &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
durch den Hofgarten ta&#x0364;nzelte, mit der einen<lb/>
Hand den linken Rock&#x017F;chooß in der Ho&#x0364;he hal¬<lb/>
tend, mit der andern Hand &#x017F;ein du&#x0364;nnes Rohr¬<lb/>
&#x017F;to&#x0364;ckchen hin und her&#x017F;chwingend; es war noch<lb/>
immer da&#x017F;&#x017F;elbe freundliche Ge&#x017F;ichtchen, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Ro&#x017F;enro&#x0364;the &#x017F;ich nach der Na&#x017F;e hin konzentrirt,<lb/>
es war noch immer das alte Kegelhu&#x0364;tchen, es<lb/>
war noch immer das alte Zo&#x0364;pfchen, nur daß<lb/>
aus die&#x017F;em jetzt einige weiße Ha&#x0364;rchen, &#x017F;tatt<lb/>
der ehemaligen &#x017F;chwarzen Ha&#x0364;rchen hervor¬<lb/>
kamen. Aber &#x017F;o vergnu&#x0364;gt er auch aus&#x017F;ah, &#x017F;o<lb/>
wußte ich dennoch, daß der arme Baron un¬<lb/>
terde&#x017F;&#x017F;en viel Kummer ausge&#x017F;tanden hatte, &#x017F;ein<lb/>
Ge&#x017F;ichtchen wollte es mir verbergen, aber die<lb/>
weißen Ha&#x0364;rchen &#x017F;eines Zo&#x0364;pfchens haben es mir<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0223] geſunken war; wie man denn uͤberall ſieht, daß die Menſchen, wenn ſie einmal im Sinken ſind, wie nach dem newtonſchen Geſetze, immer ent¬ ſetzlichſchneller und ſchneller in's Elend herab¬ fallen. Wer mir aber gar nicht veraͤndert ſchien, das war der kleine Baron, der luſtig wie ſonſt durch den Hofgarten taͤnzelte, mit der einen Hand den linken Rockſchooß in der Hoͤhe hal¬ tend, mit der andern Hand ſein duͤnnes Rohr¬ ſtoͤckchen hin und herſchwingend; es war noch immer daſſelbe freundliche Geſichtchen, deſſen Roſenroͤthe ſich nach der Naſe hin konzentrirt, es war noch immer das alte Kegelhuͤtchen, es war noch immer das alte Zoͤpfchen, nur daß aus dieſem jetzt einige weiße Haͤrchen, ſtatt der ehemaligen ſchwarzen Haͤrchen hervor¬ kamen. Aber ſo vergnuͤgt er auch ausſah, ſo wußte ich dennoch, daß der arme Baron un¬ terdeſſen viel Kummer ausgeſtanden hatte, ſein Geſichtchen wollte es mir verbergen, aber die weißen Haͤrchen ſeines Zoͤpfchens haben es mir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/223
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/223>, abgerufen am 22.11.2024.