hinter seinem Rücken verrathen. Und das Zöpfchen selber hätte es gerne wieder abgeleug¬ net und wackelte gar wehmüthig lustig.
Ich war nicht müde, aber ich bekam doch Lust mich noch einmal auf die hölzerne Bank zu setzen, in die ich einst den Namen meines Mädchens eingeschnitten. Ich konnte ihn kaum wiederfinden, es waren so viele neue Namen darüber hingeschnitzelt. Ach! einst war ich auf dieser Bank eingeschlafen und träumte von Glück und Liebe. "Träume sind Schäume." Auch die alten Kinderspiele kamen mir wieder in den Sinn, auch die alten, hübschen Mähr¬ chen; aber ein neues, falsches Spiel und ein neues, häßliches Mährchen klang immer hin¬ durch, und es war die Geschichte von zwey armen Seelen, die einander untreu wurden, und es nachher in der Treulosigkeit so weit brachten, daß sie sogar dem lieben Gotte die Treue brachen. Es ist eine böse Geschichte,
hinter ſeinem Ruͤcken verrathen. Und das Zoͤpfchen ſelber haͤtte es gerne wieder abgeleug¬ net und wackelte gar wehmuͤthig luſtig.
Ich war nicht muͤde, aber ich bekam doch Luſt mich noch einmal auf die hoͤlzerne Bank zu ſetzen, in die ich einſt den Namen meines Maͤdchens eingeſchnitten. Ich konnte ihn kaum wiederfinden, es waren ſo viele neue Namen daruͤber hingeſchnitzelt. Ach! einſt war ich auf dieſer Bank eingeſchlafen und traͤumte von Gluͤck und Liebe. „Traͤume ſind Schaͤume.“ Auch die alten Kinderſpiele kamen mir wieder in den Sinn, auch die alten, huͤbſchen Maͤhr¬ chen; aber ein neues, falſches Spiel und ein neues, haͤßliches Maͤhrchen klang immer hin¬ durch, und es war die Geſchichte von zwey armen Seelen, die einander untreu wurden, und es nachher in der Treuloſigkeit ſo weit brachten, daß ſie ſogar dem lieben Gotte die Treue brachen. Es iſt eine boͤſe Geſchichte,
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hinter ſeinem Ruͤcken verrathen. Und das
Zoͤpfchen ſelber haͤtte es gerne wieder abgeleug¬
net und wackelte gar wehmuͤthig luſtig.
Ich war nicht muͤde, aber ich bekam doch
Luſt mich noch einmal auf die hoͤlzerne Bank
zu ſetzen, in die ich einſt den Namen meines
Maͤdchens eingeſchnitten. Ich konnte ihn kaum
wiederfinden, es waren ſo viele neue Namen
daruͤber hingeſchnitzelt. Ach! einſt war ich auf
dieſer Bank eingeſchlafen und traͤumte von
Gluͤck und Liebe. „Traͤume ſind Schaͤume.“
Auch die alten Kinderſpiele kamen mir wieder
in den Sinn, auch die alten, huͤbſchen Maͤhr¬
chen; aber ein neues, falſches Spiel und ein
neues, haͤßliches Maͤhrchen klang immer hin¬
durch, und es war die Geſchichte von zwey
armen Seelen, die einander untreu wurden,
und es nachher in der Treuloſigkeit ſo weit
brachten, daß ſie ſogar dem lieben Gotte die
Treue brachen. Es iſt eine boͤſe Geſchichte,
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/224>, abgerufen am 22.11.2024.
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