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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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wenn es dir nur irgend möglich ist, so sieh doch
zu, daß ich die verba irregularia im Kopfe behalte.

Vom Griechischen will ich gar nicht sprechen;
ich ärgere mich sonst zu viel. Die Mönche im
Mittelalter hatten so ganz Unrecht nicht, wenn
sie behaupteten, daß das Griechische eine Er¬
findung des Teufels sey. Gott kennt die Lei¬
den, die ich dabey ausgestanden. Mit dem He¬
bräischen ging es besser, denn ich hatte immer
eine große Vorliebe für die Juden, obgleich sie,
bis auf diese Stunde, meinen guten Namen
kreuzigen; aber ich konnte es doch im Hebräi¬
schen nicht so weit bringen wie meine Taschen¬
uhr, die viel intimen Umgang mit Pfän¬
derverleihern hatte, und dadurch manche jüdi¬
sche Sitte annahm -- z. B. des Sonnabends
ging sie nicht -- und die heilige Sprache lernte,
und sie auch späterhin grammatisch trieb; wie
ich denn oft, in schlaflosen Nächten, mit Er¬
staunen hörte, daß sie beständig vor sich hin

wenn es dir nur irgend moͤglich iſt, ſo ſieh doch
zu, daß ich die verba irregularia im Kopfe behalte.

Vom Griechiſchen will ich gar nicht ſprechen;
ich aͤrgere mich ſonſt zu viel. Die Moͤnche im
Mittelalter hatten ſo ganz Unrecht nicht, wenn
ſie behaupteten, daß das Griechiſche eine Er¬
findung des Teufels ſey. Gott kennt die Lei¬
den, die ich dabey ausgeſtanden. Mit dem He¬
braͤiſchen ging es beſſer, denn ich hatte immer
eine große Vorliebe fuͤr die Juden, obgleich ſie,
bis auf dieſe Stunde, meinen guten Namen
kreuzigen; aber ich konnte es doch im Hebraͤi¬
ſchen nicht ſo weit bringen wie meine Taſchen¬
uhr, die viel intimen Umgang mit Pfaͤn¬
derverleihern hatte, und dadurch manche juͤdi¬
ſche Sitte annahm — z. B. des Sonnabends
ging ſie nicht — und die heilige Sprache lernte,
und ſie auch ſpaͤterhin grammatiſch trieb; wie
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[186/0194] wenn es dir nur irgend moͤglich iſt, ſo ſieh doch zu, daß ich die verba irregularia im Kopfe behalte. Vom Griechiſchen will ich gar nicht ſprechen; ich aͤrgere mich ſonſt zu viel. Die Moͤnche im Mittelalter hatten ſo ganz Unrecht nicht, wenn ſie behaupteten, daß das Griechiſche eine Er¬ findung des Teufels ſey. Gott kennt die Lei¬ den, die ich dabey ausgeſtanden. Mit dem He¬ braͤiſchen ging es beſſer, denn ich hatte immer eine große Vorliebe fuͤr die Juden, obgleich ſie, bis auf dieſe Stunde, meinen guten Namen kreuzigen; aber ich konnte es doch im Hebraͤi¬ ſchen nicht ſo weit bringen wie meine Taſchen¬ uhr, die viel intimen Umgang mit Pfaͤn¬ derverleihern hatte, und dadurch manche juͤdi¬ ſche Sitte annahm — z. B. des Sonnabends ging ſie nicht — und die heilige Sprache lernte, und ſie auch ſpaͤterhin grammatiſch trieb; wie ich denn oft, in ſchlafloſen Naͤchten, mit Er¬ ſtaunen hoͤrte, daß ſie beſtaͤndig vor ſich hin

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/194>, abgerufen am 22.11.2024.