Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

dern Fürsichseyns, es stirbt nicht nur die vom We-
sen abgezogne schon todte Hülle, sondern auch die
Abstraction des göttlichen Wesens. Denn er ist, in-
sofern sein Tod die Versöhnung noch nicht vollen-
det hat, das einseitige, welches das einfache des Den-
kens als das Wesen weiss im Gegensatze gegen die Wirk-
lichkeit; diss Extrem des Selbsts hat noch nicht glei-
chen Werth mit dem Wesen; diss hat das Selbst erst
im Geiste. Der Tod dieser Vorstellung enthält also
zugleich den Tod der Abstraction des göttlichen Wesens,
das nicht als Selbst gesetzt ist. Er ist das schmerzliche
Gefühl des unglücklichen Bewusstseyns, dass Gott
selbst gestorben
ist. Dieser harte Ausdruck ist der Aus-
druck des innersten sich einfach Wissens, die Rück-
kehr des Bewusstseyns in die Tiefe der Nacht des
Ich = Ich, die nichts ausser ihr mehr unterscheidet und
weiss. Diss Gefühl ist also in der That der Verlust
der Substanz und ihres Gegenübertretens gegen das Be-
wusstseyn; aber zugleich ist es die reine Subjectivität
der Substanz, oder die reine Gewissheit seiner selbst, die
ihr als dem Gegenstande oder dem Unmittelbaren oder
dem reinen Wesen fehlte. Diss Wissen also ist die
Begeistung, wodurch die Substanz Subject, ihre Ab-
straction und Leblosigkeit gestorben, sie also wirklich
und einfaches und allgemeines Selbstbewusstseyn ge-
worden ist.

So ist also der Geist sich selbst wissender Geist; er
weiss sich, das was ihm Gegenstand ist, ist, oder seine

A a a

dern Fürſichſeyns, es ſtirbt nicht nur die vom We-
sen abgezogne schon todte Hülle, sondern auch die
Abſtraction des göttlichen Wesens. Denn er ist, in-
ſofern ſein Tod die Verſöhnung noch nicht vollen-
det hat, das einseitige, welches das einfache des Den-
kens als das Wesen weiſs im Gegensatze gegen die Wirk-
lichkeit; diſs Extrem des Selbſts hat noch nicht glei-
chen Werth mit dem Wesen; diſs hat das Selbſt erſt
im Geiſte. Der Tod dieser Vorstellung enthält also
zugleich den Tod der Abſtraction des göttlichen Weſens,
das nicht als Selbst gesetzt iſt. Er iſt das schmerzliche
Gefühl des unglücklichen Bewuſstſeyns, daſs Gott
ſelbſt geſtorben
ist. Dieser harte Ausdruck ist der Aus-
druck des innerſten ſich einfach Wiſſens, die Rück-
kehr des Bewuſstſeyns in die Tiefe der Nacht des
Ich = Ich, die nichts auſſer ihr mehr unterscheidet und
weiſs. Diſs Gefühl ist also in der That der Verluſt
der Subſtanz und ihres Gegenübertretens gegen das Be-
wuſstseyn; aber zugleich iſt es die reine Subjectivität
der Subſtanz, oder die reine Gewiſsheit ſeiner ſelbst, die
ihr als dem Gegenſtande oder dem Unmittelbaren oder
dem reinen Wesen fehlte. Diſs Wiſſen also iſt die
Begeiſtung, wodurch die Substanz Subject, ihre Ab-
ſtraction und Lebloſigkeit gestorben, ſie also wirklich
und einfaches und allgemeines Selbſtbewuſstſeyn ge-
worden iſt.

So ist also der Geiſt ſich ſelbſt wiſſender Geiſt; er
weiſs ſich, das was ihm Gegenſtand iſt, iſt, oder seine

A a a
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0846" n="737"/>
dern Für&#x017F;ich&#x017F;eyns, es &#x017F;tirbt nicht nur die vom We-<lb/>
sen abgezogne schon todte Hülle, sondern auch die<lb/><hi rendition="#i">Ab&#x017F;traction</hi> des göttlichen Wesens. Denn er ist, in-<lb/>
&#x017F;ofern &#x017F;ein Tod die Ver&#x017F;öhnung noch nicht vollen-<lb/>
det hat, das einseitige, welches das einfache des Den-<lb/>
kens als das <hi rendition="#i">Wesen</hi> wei&#x017F;s im Gegensatze gegen die Wirk-<lb/>
lichkeit; di&#x017F;s Extrem des Selb&#x017F;ts hat noch nicht glei-<lb/>
chen Werth mit dem Wesen; di&#x017F;s hat das Selb&#x017F;t er&#x017F;t<lb/>
im Gei&#x017F;te. Der Tod dieser Vorstellung enthält also<lb/>
zugleich den Tod der <hi rendition="#i">Ab&#x017F;traction des göttlichen We&#x017F;ens</hi>,<lb/>
das nicht als Selbst gesetzt i&#x017F;t. Er i&#x017F;t das schmerzliche<lb/>
Gefühl des unglücklichen Bewu&#x017F;st&#x017F;eyns, da&#x017F;s <hi rendition="#i">Gott<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;torben</hi> ist. Dieser harte Ausdruck ist der Aus-<lb/>
druck des inner&#x017F;ten &#x017F;ich einfach Wi&#x017F;&#x017F;ens, die Rück-<lb/>
kehr des Bewu&#x017F;st&#x017F;eyns in die Tiefe der Nacht des<lb/>
Ich = Ich, die nichts au&#x017F;&#x017F;er ihr mehr unterscheidet und<lb/>
wei&#x017F;s. Di&#x017F;s Gefühl ist also in der That der Verlu&#x017F;t<lb/>
der <hi rendition="#i">Sub&#x017F;tanz</hi> und ihres Gegenübertretens gegen das Be-<lb/>
wu&#x017F;stseyn; aber zugleich i&#x017F;t es die reine <hi rendition="#i">Subjectivität</hi><lb/>
der Sub&#x017F;tanz, oder die reine Gewi&#x017F;sheit &#x017F;einer &#x017F;elbst, die<lb/>
ihr als dem Gegen&#x017F;tande oder dem Unmittelbaren oder<lb/>
dem reinen Wesen fehlte. Di&#x017F;s Wi&#x017F;&#x017F;en also i&#x017F;t die<lb/><hi rendition="#i">Begei&#x017F;tung</hi>, wodurch die Substanz Subject, ihre Ab-<lb/>
&#x017F;traction und Leblo&#x017F;igkeit gestorben, &#x017F;ie also <hi rendition="#i">wirklich</hi><lb/>
und einfaches und allgemeines Selb&#x017F;tbewu&#x017F;st&#x017F;eyn ge-<lb/>
worden i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>So ist also der Gei&#x017F;t <hi rendition="#i">&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t</hi> wi&#x017F;&#x017F;ender Gei&#x017F;t; er<lb/>
wei&#x017F;s <hi rendition="#i">&#x017F;ich</hi>, das was ihm Gegen&#x017F;tand i&#x017F;t, i&#x017F;t, oder seine<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a a</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[737/0846] dern Fürſichſeyns, es ſtirbt nicht nur die vom We- sen abgezogne schon todte Hülle, sondern auch die Abſtraction des göttlichen Wesens. Denn er ist, in- ſofern ſein Tod die Verſöhnung noch nicht vollen- det hat, das einseitige, welches das einfache des Den- kens als das Wesen weiſs im Gegensatze gegen die Wirk- lichkeit; diſs Extrem des Selbſts hat noch nicht glei- chen Werth mit dem Wesen; diſs hat das Selbſt erſt im Geiſte. Der Tod dieser Vorstellung enthält also zugleich den Tod der Abſtraction des göttlichen Weſens, das nicht als Selbst gesetzt iſt. Er iſt das schmerzliche Gefühl des unglücklichen Bewuſstſeyns, daſs Gott ſelbſt geſtorben ist. Dieser harte Ausdruck ist der Aus- druck des innerſten ſich einfach Wiſſens, die Rück- kehr des Bewuſstſeyns in die Tiefe der Nacht des Ich = Ich, die nichts auſſer ihr mehr unterscheidet und weiſs. Diſs Gefühl ist also in der That der Verluſt der Subſtanz und ihres Gegenübertretens gegen das Be- wuſstseyn; aber zugleich iſt es die reine Subjectivität der Subſtanz, oder die reine Gewiſsheit ſeiner ſelbst, die ihr als dem Gegenſtande oder dem Unmittelbaren oder dem reinen Wesen fehlte. Diſs Wiſſen also iſt die Begeiſtung, wodurch die Substanz Subject, ihre Ab- ſtraction und Lebloſigkeit gestorben, ſie also wirklich und einfaches und allgemeines Selbſtbewuſstſeyn ge- worden iſt. So ist also der Geiſt ſich ſelbſt wiſſender Geiſt; er weiſs ſich, das was ihm Gegenſtand iſt, iſt, oder seine A a a

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/846
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 737. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/846>, abgerufen am 19.05.2024.