seyns, in welcher er auftritt. Es ist nicht mehr das wirkliche Thun des Cultus, sondern ein Thun, das zwar noch nicht in den Begriff, sondern erst in die Vorstellung, in die synthetische Verknüpfung des selbst- bewussten und des äussern Daseyns erhoben ist. Das Daseyn dieser Vorstellung, die Sprache, ist die erste Sprache, das Epos als solches, das den allgemei- nen Inhalt, wenigstens als Vollständigkeit der Well, ob zwar nicht als Allgemeinheit des Gedankens enthält. Der Sänger ist der Einzelne und Wirkliche, aus dem als Sub- ject dieser Welt sie erzeugt und getragen wird. Sein Pa- thos ist nicht die betäubende Naturmacht sondern die Mnemosne, die Besinnung und gewordne Innerlichkelt, die Erinnerung des vorhin unmittelbaren Wesens. Er ist das in seinem Inhalte verschwindende Organ, nicht sein eignes Selbst gilt, sondern seine Muse, sein allgemeiner Gesang. Was aber in der That vor- handen ist, ist der Schluss, worin das Extrem der All- gemeinheit, die Götterwelt, durch die Mitte der Be- sonderheit mit der Einzelnheit, dem Sänger, verknüpft ist. Die Mitte ist das Volk in seinen Helden, welche einzelne Menschen sind, wie der Sänger, aber nur vorgestellte und dadurch zugleich allgemeine, wie das freye Extrem der Allgemeinheit, die Götter.
In diesem Epos stellt sich also überhaupt dem Be- wusstseyn dar, was im Cultus an sich zu Stande kommt, die Beziehung des Göttlichen auf das Menschliche. Der Inhalt ist eine Handlung des seiner selbstbewuss- ten Wesens. Das Handeln stört die Ruhe der Sub-
seyns, in welcher er auftritt. Es ist nicht mehr das wirkliche Thun des Cultus, sondern ein Thun, das zwar noch nicht in den Begriff, sondern erst in die Vorstellung, in die synthetische Verknüpfung des selbst- bewuſsten und des äuſſern Daseyns erhoben iſt. Das Daseyn dieser Vorstellung, die Sprache, iſt die erste Sprache, das Epos als ſolches, das den allgemei- nen Inhalt, wenigstens als Vollſtändigkeit der Well, ob zwar nicht als Allgemeinheit des Gedankens enthält. Der Sänger ist der Einzelne und Wirkliche, aus dem als Sub- ject dieser Welt sie erzeugt und getragen wird. Sein Pa- thos ist nicht die betäubende Naturmacht ſondern die Mnemosne, die Besinnung und gewordne Innerlichkelt, die Erinnerung des vorhin unmittelbaren Wesens. Er ist das in seinem Inhalte verschwindende Organ, nicht sein eignes Selbst gilt, sondern seine Muse, sein allgemeiner Gesang. Was aber in der That vor- handen ist, ist der Schluſs, worin das Extrem der All- gemeinheit, die Götterwelt, durch die Mitte der Be- sonderheit mit der Einzelnheit, dem Sänger, verknüpft ist. Die Mitte ist das Volk in seinen Helden, welche einzelne Menschen sind, wie der Sänger, aber nur vorgestellte und dadurch zugleich allgemeine, wie das freye Extrem der Allgemeinheit, die Götter.
In diesem Epos stellt sich also überhaupt dem Be- wuſstseyn dar, was im Cultus an sich zu Stande kommt, die Beziehung des Göttlichen auf das Menschliche. Der Inhalt ist eine Handlung des seiner selbstbewuſs- ten Wesens. Das Handeln stört die Ruhe der Sub-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0787"n="678"/>
seyns, in welcher er auftritt. Es ist nicht mehr das<lb/>
wirkliche Thun des Cultus, sondern ein Thun, das<lb/>
zwar noch nicht in den Begriff, sondern erst in die<lb/><hirendition="#i">Vorstellung</hi>, in die synthetische Verknüpfung des selbst-<lb/>
bewuſsten und des äuſſern Daseyns erhoben iſt.<lb/>
Das Daseyn dieser Vorstellung, die <hirendition="#i">Sprache</hi>, iſt die<lb/>
erste Sprache, das <hirendition="#i">Epos</hi> als ſolches, das den allgemei-<lb/>
nen Inhalt, wenigstens als <hirendition="#i">Vollſtändigkeit</hi> der Well, ob<lb/>
zwar nicht als <hirendition="#i">Allgemeinheit</hi> des <hirendition="#i">Gedankens</hi> enthält. Der<lb/><hirendition="#i">Sänger</hi> ist der Einzelne und Wirkliche, aus dem als Sub-<lb/>
ject dieser Welt sie erzeugt und getragen wird. Sein Pa-<lb/>
thos ist nicht die betäubende Naturmacht ſondern die<lb/>
Mnemosne, die Besinnung und gewordne Innerlichkelt,<lb/>
die Erinnerung des vorhin unmittelbaren Wesens. Er<lb/>
ist das in seinem Inhalte verschwindende Organ,<lb/>
nicht sein eignes Selbst gilt, sondern seine Muse,<lb/>
sein allgemeiner Gesang. Was aber in der That vor-<lb/>
handen ist, ist der Schluſs, worin das Extrem der All-<lb/>
gemeinheit, die Götterwelt, durch die Mitte der Be-<lb/>
sonderheit mit der Einzelnheit, dem Sänger, verknüpft<lb/>
ist. Die Mitte ist das Volk in seinen Helden, welche<lb/>
einzelne Menschen sind, wie der Sänger, aber nur<lb/><hirendition="#i">vorgestellte</hi> und dadurch zugleich <hirendition="#i">allgemeine</hi>, wie das<lb/>
freye Extrem der Allgemeinheit, die Götter.</p><lb/><p>In diesem Epos <hirendition="#i">stellt</hi> sich also überhaupt dem Be-<lb/>
wuſstseyn dar, was im Cultus <hirendition="#i">an sich</hi> zu Stande kommt,<lb/>
die Beziehung des Göttlichen auf das Menschliche.<lb/>
Der Inhalt ist eine <hirendition="#i">Handlung</hi> des seiner selbstbewuſs-<lb/>
ten Wesens. Das <hirendition="#i">Handeln</hi> stört die Ruhe der Sub-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[678/0787]
seyns, in welcher er auftritt. Es ist nicht mehr das
wirkliche Thun des Cultus, sondern ein Thun, das
zwar noch nicht in den Begriff, sondern erst in die
Vorstellung, in die synthetische Verknüpfung des selbst-
bewuſsten und des äuſſern Daseyns erhoben iſt.
Das Daseyn dieser Vorstellung, die Sprache, iſt die
erste Sprache, das Epos als ſolches, das den allgemei-
nen Inhalt, wenigstens als Vollſtändigkeit der Well, ob
zwar nicht als Allgemeinheit des Gedankens enthält. Der
Sänger ist der Einzelne und Wirkliche, aus dem als Sub-
ject dieser Welt sie erzeugt und getragen wird. Sein Pa-
thos ist nicht die betäubende Naturmacht ſondern die
Mnemosne, die Besinnung und gewordne Innerlichkelt,
die Erinnerung des vorhin unmittelbaren Wesens. Er
ist das in seinem Inhalte verschwindende Organ,
nicht sein eignes Selbst gilt, sondern seine Muse,
sein allgemeiner Gesang. Was aber in der That vor-
handen ist, ist der Schluſs, worin das Extrem der All-
gemeinheit, die Götterwelt, durch die Mitte der Be-
sonderheit mit der Einzelnheit, dem Sänger, verknüpft
ist. Die Mitte ist das Volk in seinen Helden, welche
einzelne Menschen sind, wie der Sänger, aber nur
vorgestellte und dadurch zugleich allgemeine, wie das
freye Extrem der Allgemeinheit, die Götter.
In diesem Epos stellt sich also überhaupt dem Be-
wuſstseyn dar, was im Cultus an sich zu Stande kommt,
die Beziehung des Göttlichen auf das Menschliche.
Der Inhalt ist eine Handlung des seiner selbstbewuſs-
ten Wesens. Das Handeln stört die Ruhe der Sub-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 678. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/787>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.